Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Wenn ich human wäre, dann gäbe es in hundert Jahren keinen Nachfolger von mir. Übrigens ist da ein Punkt, in dem ich mich euch gegenüber so human gezeigt habe, daß ich es schwer vor dem Palatin verantworten kann. Es sitzen hier im Lande noch immer Leute, von denen erst jetzt herauskommt, daß sie am Aufstand teilgenommen haben. Die greifen wir uns natürlich und konfiszieren ihren Besitz. Wissen Sie, daß die Doktoren von Jabne Order gegeben haben, die Auktionen zu boykottieren, auf denen wir diese konfiszierten Terrains versteigern? Sie anerkennen unsere Konfiskationen nicht als zu Recht. Finden Sie nicht, daß das ein Verstoß gegen die Staatsautorität ist? Aber ich dulde ihn stillschweigend.« Er lächelte listig, vertraulich. »Das Land ist billig hier für meine Römer und Griechen infolge des Boykotts der Juden. Ich an Stelle Ihrer Doktoren hätte den Boykott nicht angeordnet. Wie immer, über mangelnde Humanität können sie sich in diesem Falle nicht beschweren.«
      Später sagte er: »Vielleicht haben wir manchmal fest zugepackt. Aber es ist etwas dabei herausgekommen, wir haben allerhand aus Ihrem Judäa gemacht, mein Flavius Josephus. Ich bin neugierig, was Sie als Sachverständiger dazu sagen Werden. Sie, mein Demetrius«, wandte er sich an den Schauspieler, »müssen sich vor allem das alte Sichem anschauen. Das heißt jetzt Flavisch Neapel, und in zwei Monaten wird dort das Theater fertig; im September weihen wir es ein. Die Festspiele, die ich geben will, müssen den ganzen Osten auf den Kopf stellen, wir müssen Antiochien ausstechen. Es wäre großartig, mein Demetrius, wenn Sie sich entschließen könnten, dort zu spielen. Wir sind nicht der Palatin, aber über das Honorar«, lockte er plump und schamlos den Schauspieler, »würden Sie sich nicht zu beklagen haben. Und das Publikum, das Sie bei uns finden, ist mindestens so empfänglich wie das römische. Wir sind dankbar. Wir sind mächtig ausgehungert. Nicht wahr, meine Herren?« forderte er die Zustimmung seiner Beamten.
      Demetrius gab eine ausweichende Antwort, doch der Gouverneur ließ nicht locker. »Sie müssen mich beide einmal nach Flavisch Neapel begleiten«, drängte er, »und mir erlau ben, Ihnen meine Stadt persönlich zu zeigen. Flavisch Neapel, das kann ich Ihnen heute schon sagen, wird das kulturelle Zentrum nicht nur Judäas, sondern ganz Syriens werden.« Stürmisch liebenswürdig rang er um die Anerkennung der beiden Männer.
      Josef hatte seit jeher voll widerwilliger Bewunderung wahrgenommen, mit welcher Sicherheit die Römer es verstanden, von einer Sache Besitz zu ergreifen, und dieser erste Tag in Cäsarea hatte ihm einen neuen Beweis geliefert. Flavius Silva, er gestand es sich knirschend zu, war der rechte Mann, die Provinz zu romanisieren. In den anderthalb Jahrtausenden ihrer Herrschaft hatten die Juden nicht so viel getan, das Land zu ihrem eigenen zu machen, wie Silva in den acht Jahren seiner Regierung.

    Josef begann zu wandern und zu sehen. Er mied fürs erste die Striche, die vornehmlich von Juden besiedelt waren, er zog durch das von Syrern bewohnte Samaria gegen Nordost, durch das Zehnstädteland bis an die Grenze der Auranitis. Hier hatte Hiob gelebt. Mechanisch, nachdenklich klaubte Josef einige jener runden, violetten Steinchen auf, welche die gläubige Einfalt der Eingeborenen für die versteinerten Würmer hielt, die aus den Schwären Hiobs zur Erde gefallen waren. »Ja, Mann«, sagte sein Eseltreiber, »sammle sie nur auf, Mann. Nimm sie dir als Andenken mit. Und mögen sie dich lehren, im Glücke Jahves nicht zu vergessen und nicht im Unglück mit ihm zu hadern.« Und wenn Josef am frühen Morgen über gebirgiges Ödland zog, dann fand er wohl den Boden bedeckt von jenen süßen, körnigen Flechten, die weiter unten im Süden viele für das Manna hielten.
      Er wandte sich wieder zurück nach Westen, durchzog das Herrschaftsgebiet des Königs Agrippa, betrat endlich jüdischen Boden: Galiläa. In dieser Gegend hatte er seinen höchsten Aufschwung und seine tiefste Erniedrigung erlebt. Wieder wie damals, da er zum erstenmal hierhergekommen war, als Kommissar der Jerusalemer Regierung, ergriff ihn bis ins Innerste die Schönheit des galiläischen Landes. Reich und fruchtbar lag es in der Mannigfaltigkeit seiner Täler, Hügel, Berge, mit seinem See Genezareth, mit seinen zweihundert Städten, ein wahrer Garten Gottes in seiner zauberisch hellen Luft.
      Die Juden freilich waren hier sehr

Weitere Kostenlose Bücher