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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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langem, strähnigem Haar.
      Josef sah den jungen Mann interessiert an. Das war offenbar einer von den Minäern, den Christen. Er war ein kräftiger, sehniger, magerer Mensch von gutmütigem Aussehen; über einem mächtigen Adamsapfel und einem sanften Kinn stand ein breiter Mund mit schadhaften Zähnen halb offen. »Sagen Sie mir also, bitte, Herr Tachlifa«, wandte sich Josef höflich an ihn, »warum ist Jerusalem zerstört worden?« Der junge Mensch drehte dem fremden Herrn freundlich sein Gesicht zu und erwiderte: »Es ist zerstört worden, weil es den Propheten des Herrn tötete und verstockt war gegen den Gesalbten.« Er wollte weitersprechen. Aber der, den sie den Käsesohn nannten, schlug Josef klobig auf die Schulter und redete auf ihn ein: »Ja, fremder Herr, wenn Sie etwas wissen wollen, halten Sie sich nur an unsern Tachlifa. Es ist gut, wenn einem einmal unsereiner Gott und die göttlichen Dinge erklärt und nicht immer nur die Doktoren. Die sind so eingebildet, daß sie jeden Furz, den sie lassen, für heilig und für einen Weisheitsspruch halten. Oder ist es nicht so?« fragte er Josef und schwang seine mächtigen Hände. »Können Sie schlau werden aus dem, was man in Jabne sagt?«, und er brachte sein weindunstendes Gesicht nah an Josef. Der hütete sich, zurückzuweichen, und erwiderte maßvoll: »Manchmal glaube ich es zu verstehen, manchmal verstehe ich es nicht.«
      Der Trunkene beruhigte sich. Josef bat Tachlifa, in seiner Erklärung fortzufahren. »Unsere Väter«, setzte sachlich Tachlifa auseinander, »haben den Messias nicht erkannt. Er tat Zeichen und Wunder. Die Doktoren aber wollten nicht sehen, weil sie geizig waren mit ihrem Jahve, und wollten es nicht dulden, daß einer ihn aller Welt verkündete. Sie wollten Jahve einschließen wie ein Wucherer seine Denare und Verschreibungen. Sie achteten das sichtbare Haus Jahves mehr als den Unsichtbaren, dem es gehörte. Darum ließ Jahve den Messias ausgehen aus sich. Die Doktoren aber wollten noch immer nicht sehen. Da zerstörte Jahve den Tempel, der leer geworden war und ohne Sinn wie das Gehäuse einer Puppe, aus der der Schmetterling ausgegangen ist, auf daß alle sehen sollten. Und darum bekennen wir: der Messias ist erschienen. Er hat sich töten lassen, um uns die Sünde abzunehmen, die von Adam her auf uns lastet, und ist wieder auferstanden. Sein Name aber ist Jesus von Nazareth.«
      Der Käsesohn mischte sich wieder ein. »Ist das eine Erklärung oder nicht?« lärmte er herausfordernd. »Das ist einfach. Das muß jeder verstehen, auch Sie, fremder Herr. Die Doktoren haben Würmer im Hirn. Sie sagen, sie glauben an die Auferstehung. Warum soll dann der Messias nicht auferstanden sein? Bitte?« fragte er händelsüchtig den Josef und war wieder sehr nahe an ihm. »Laß den Herrn in Ruhe, Käsesohn«, hielten ihn die andern zurück. »Er hat ja nichts gegen dich gesagt.«
      »Wann war das, daß er getötet wurde?« fragte Josef den Minäer. »Sie sagen, vor sieben mal sieben Jahren«, erwiderte Tachlifa. »Er soll«, wandte Josef ein, »hier in Galiläa seine Jugend verbracht haben. Es müßte wohl der eine oder andere noch leben, der ihn gekannt hat. Ich habe aber keinen gefunden.« – »Wann je weiß man etwas von einem Propheten in seinem Vaterland?« meinte der Minäer. »Auch war der Krieg dazwischen, und viele, die ihn kannten, mögen umgekommen oder außer Landes sein.«
      »Er war ein Galiläer«, sagte einer von den Männern, »darauf können wir stolz sein. Aber die Doktoren mögen ihn nicht, weil er ein Galiläer war. Sie mögen nichts, was aus Galiläa kommt.« – »Darum verbieten sie uns auch das Geflügel mit Sahnensauce«, sagte zornig ein anderer. Und ein älterer Mann sagte: »Die Doktoren wollen es nicht wahrhaben, daß einer einem die Sünden abnimmt. Sie wollen einem immer nur neue Lasten und Verbote auflegen.« Der Käsesohn aber, jetzt auf der andern Seite des Tisches, lehnte sich grimmig querüber und zitierte dem Josef ins Gesicht drohend das Sprichwort: »Aber wenn die Last zu schwer wird, dann steht das Kamel nicht mehr auf.«
      »Paß auf, Tachlifa«, sagte einer zu dem Minäer, »bald werden sie uns verbieten, mit dir zusammenzusitzen. Immer schon eifern sie, wir sollen nicht mehr mit euch über euern Messias und eure Lehren diskutieren.« Der Minäer zuckte die Achseln. »Es wäre mir sehr leid, meine Brüder und Herren«, sagte er auf seine sanfte Art, »wenn ich nicht mehr mit euch

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