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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zusammensitzen dürfte.« – »Was?« rückte ihm der Käsesohn auf den Leib. »Du willst nicht mehr mit uns verkehren, du Jammerlappen?« – »Wenn hier das Wort des Gesalbten steht«, antwortete bescheiden, doch fest der Minäer, »und dort das Wort der Doktoren, dann folge ich dem Gesalbten.« – »Ich will dir zeigen, wem du zu folgen hast«, wollte der Käsesohn auf ihn los, aber die andern hielten ihn zurück.
      »Bitte, sagen Sie mir, Herr Tachlifa«, fragte wiederum Josef, »worin unterscheidet sich Ihre Lehre von denen dieser hier?« – »Ich glaube«, erwiderte Tachlifa, »daß der Messias durch seinen Tod uns allen die Sünde abnahm. So hat er das Himmelreich leichter gemacht auch für die, die nicht gelehrt wie die Doktoren sind, sondern arm im Geiste und ohne umständliches Wissen vom Gesetz.« – »Aber Sie halten weiter das Gesetz?« erkundigte sich Josef. »Jesus, unser Gesalbter«, antwortete Tachlifa, »hat nicht das Gesetz aufgehoben, er kam, es zu erfüllen. Wir halten streng das Gesetz.« – »Heißt das«, fragte der Käsesohn und war schon wieder nahe an ihm, »daß du von meinem Sahnengeflügel nichts essen willst, du Hund, falls ich dir etwas anbiete?« – »Ich will dir kein Ärgernis geben«, sagte nach einem kurzen Schweigen spaßhaft gutmütig der junge Mensch, und alle lachten.
      Die Männer tranken langsam von dem schwarzen, gepichten Wein. Von der Herdstelle kam schwer der Rauch des Feuers, das der Wirt angezündet hatte, um die Hühner zu kochen, und füllte den ganzen, dumpfen Raum. »Wir wollen alle die Einheit der Lehre«, sagte ein älterer Mann zu Josef. »Aber wenn die in Jabne uns das Leben weiter so erschweren, dann gehe ich wahrhaftig auch noch unter die Minäer. Das Gesetz ist gut, aber man hat nur zwei Schultern, um zu tragen, und der Glaube der Minäer ist leicht. Es ist nicht nur wegen der Sahnensauce. Schlimmer ist, daß sie uns nicht erlauben wollen, auf den römischen Auktionen Land zu kaufen. Wie sollen wir gegen die Syrer aufkommen, wenn die Terrains immer billiger werden und wir dürfen sie nicht kaufen?«
      Josef dachte unbehaglich an die Ziffern und Statistiken des Johann von Gischala. Aber bevor er weiter fragen konnte, wurden die Hühner ans Feuer gestellt, und die Männer hörten auf, von den Doktoren und vom Messias zu reden, traten zum Herd, schnupperten, schmatzten und gaben dem Wirt Ratschläge.

    Als er nach Gischala kam, hörte Josef die Leute mit Erbitterung von Johann sprechen. Der Freigelassene Junius Johannes hatte sich nicht um den Boykott der Auktionen geschert, den die Doktoren angeordnet, sondern hatte aus der Masse des von den Römern konfiszierten Terrains skrupellos gekauft. Die Galiläer empfanden es als zynische Herausforderung, daß der Mann, der seinerzeit diese ganze Gegend in den Krieg getrieben, jetzt, als römischer Freigelassener, den Römern Kriegsbeute abnahm.
      Josef hatte gewußt, daß sein alter Feind ins Land zurückgekehrt war. Es lockte ihn, ihn aufzusuchen. Er zögerte. Schließlich tat er es.
      Johann schmunzelte, als er ihn sah. Er führte ihn durch sein Besitztum. Es wäre vorteilhafter gewesen, Land im Süden zu kaufen, im eigentlichen Judäa, wo auch Josefs Güter lagen. Doch Johann hat eine alte Anhänglichkeit gerade an sein Gischala. Es sind weite Liegenschaften, die er gekauft hat. Noch ist sein großes Besitztum verwahrlost, aber es ist fruchtbar, Korn wächst, Öl, Obst, Wein. Er freut sich darauf, wie das in drei Jahren aussehen wird. Dabei war es unerhört billig. Die Leute hier sind Narren, daß sie die guten Terrains der Regierung nicht schon lange abgenommen haben. Der Boykott der Terrainauktionen ist läppisch. Er bewirkt nur, daß das Land immer mehr überfremdet wird. Wenn es so weitergeht, werden die Syrer und Römer noch den ganzen Boden Judäas für ein trockenes Johannisbrot erwerben. Er, Johann, macht da nicht mit. Er hat zugegriffen. Ein Skandal, daß die andern ihm nicht nachtun. Er muß in den nächsten Wochen nach Jabne fahren und den Doktoren ins Gewissen reden. Die Herren sind weltfremde Ideologen. Sie verstehen nichts von Ziffern. Er lächelte Josef von der Seite an.
      »Was haben sie schon davon«, meinte er später, »wenn sie die Massen immer weiter gegen die Römer aufstacheln? Ihr Groll bleibt rein akademisch. Es wäre klüger, die Römer durch kluge Konkurrenz zu bekämpfen, wirtschaftlich, nicht politisch. Wir schneiden uns nur ins eigene Fleisch, wenn wir uns mit

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