Die Söhne.
sich vor, wie er seinen Freunden, dem Senator Marull und seinem Adjutanten Annius, diese Unterredung schildern, wie er vor allem seiner geliebten Lucia triumphierend davon erzählen wird. Bis in jede Einzelheit ausmalen wird er ihr, wie sich der Bruder vor ihm abgezappelt hat, wie er seine List durchschaut hat und ihn hat abfahren lassen. Lucia wird lachen; sie kann gut lachen, und wer sie zum Lachen bringt, hat viel bei ihr gewonnen. Er ist sehr mißtrauisch, die Menschen sind Geschmeiß, davon ist er zutiefst überzeugt, aber wenn Lucia lacht, dann ist er glücklich. Vielleicht, wenn sie gut und zustimmend über seine Erzählung lacht, läßt sie ihn auch einmal wieder die Narbe unter ihrer linken Brust küssen, deren Berührung sie ihm so oft versagt. »Ich anerkenne Ihre guten Absichten, Bruder«, erklärt er endlich, sehr höflich. »Allein das ändert nichts an der Rechtslage. Die Unterschlagung des Testaments bleibt ein Verbrechen, das vielleicht vergeben, aber durch solche Angebote nicht gesühnt werden kann. Ich behalte mir alles Weitere vor«, schließt er, grüßt, geht.
Als er dann, am dreißigsten Juni, hinter der Bahre des Vaters einherschritt, fühlte er sich nicht unzufrieden. Daß man zum Beispiel die Beutestücke aus dem jüdischen Krieg mittrug, die Schaubrottische, den Goldenen Leuchter, daß man also der Wahrheit die Ehre gab und den Vespasian, nicht den Titus als den Besieger Judäas anerkannte, das hat er erwirkt, das hat der Bruder ihm konzedieren müssen. Je länger die Zeremonie dauerte, so mehr füllte ihn Befriedigung. Es ist gut, daß es mit dem Alten aus ist. Darin ist er mit Titus einig, daß man jetzt die Würde der Dynastie ganz anders wahren kann. Der Tote da vor ihm freilich, wie er auf seinem hohen Traggerüst halb sitzend liegt, in der Haltung eines Lebenden, die Wange in eine Hand gestützt, ist trotz des kaiserlich purpurnen Kleides nicht eben sehr würdig. Doch schon die Prozession der vorausschreitenden Ahnen ist eine höchst eindrucksvolle Schaustellung. Denn jetzt haben er und Titus freie Hand. Die Schauspieler, die dort vorne, eine endlose Reihe, zu Fuß, zu Pferd, auf Ruhebetten gelagert, die Ahnen verkörpern, ihre Masken tragend, stellen nicht den Inhaber des Inkassobüros dar und nicht den des Vermittlungsbüros, wohl aber Feldherren, Oberrichter, Präsidenten, und ihr Zug mündet aus in Herkules, den Ahnherrn des Geschlechts. Mögen die Beweisstücke für diese Vorväter zweifelhaft sein: wenn man sie den Massen nur oft genug zeigt, dann glauben sie daran; er selber beginnt schon, daran zu glauben.
Neben dem kräftigeren, jüngeren Bruder wirkt Titus ein wenig müde. Ab und zu murmelt er mit den Chören: »O Vespasian, o mein Vater Vespasian«; aber es bleibt ein mechanisches Bewegen der Lippen. Er leidet unter der Hitze, unter seiner Schlaffheit. Vielleicht hat Bübchen ihm ein Gift eingegeben, ein schleichendes, langsam wirkendes. Sein Arzt Valens freilich bestreitet es, und Valens ist vertrauenswürdig. Vielleicht ist wirklich seine Erschöpfung einfach die Konsequenz seines wilden, rastlosen Lebens. Vielleicht auch die Folge einer Krankheit, die eine Frau ihm angehängt hat. Vielleicht auch weder Gift noch Krankheit, sondern einfach eine Strafe des jüdischen Gottes.
Neun Jahre sind es jetzt her, daß man das Haus dieses Gottes verbrannt hat. Nicht er: man. Er hat Berenike versprochen, den Tempel zu schonen, und er hat das Seine dazu getan. Wenn es am Ende doch anders kam, dann trägt er nicht mehr Schuld daran als sein Vater, und wenn er jetzt die Beute von damals, die Tempelgeräte, mit im Leichenzug führen läßt, so gibt er mit Recht dem Toten die Ehre des Triumphs, wälzt aber mit dem gleichen Recht die Verantwortung für die Lästerung des jüdischen Gottes auf ihn ab.
Er erinnert sich genau, wie er damals dem Ersten Zenturio der Fünften den Tagesbefehl für den fatalen neunundzwanzigsten August übergab. »Belästigt der Gegner die Lösch- und Aufräumekommandos, so ist er mit Energie abzuweisen, doch unter Schonung der Baulichkeiten, soweit sie zum eigentlichen Tempelhaus gehören«, so hat er es formuliert. Er ist gedeckt. Das Kriegsgericht hat alles festgestellt. Man hat der Ersten Kohorte der Fünften Legion die Unzufriedenheit der Heeresleitung ausgesprochen, weil sie den Brand nicht verhindert hat. Er braucht nicht lange einen guten Advokaten, um sich zu rechtfertigen.
Eine andere Frage bleibt allerdings, ob auch der beste
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