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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Redner und listigste Advokat, ob selbst ein Marull oder Helvid ihn vor diesem verdammt listigen östlichen Gott, vor diesem unsichtbaren Jahve, zu einem Freispruch verhelfen könnte. Der Zenturio der Fünften hat vorschriftsmäßig den Tagesbefehl wiederholt. Er sieht ihn noch, diesen Hauptmann Pedan, wie er damals vor ihm stand, fleischig, mit nacktem, rosigem Gesicht, gewaltigen Schultern, mächtigem Nacken, mit seinem lebendigen und seinem Glasauge. Er hat es noch gut im Ohr, wie der Hauptmann damals, wiederholend, den Befehl mit seiner quäkenden Stimme vorlas. Dann, unmittelbar nachdem Pedan geendet hatte, war ein winziges Schweigen gewesen. Er wußte noch genau, was er während dieses winzigen Schweigens gespürt hatte. Daß man das da herunterreißen müsse, das Weißgoldene, den Tempel dieses unheimlichen, unsichtbaren Gottes, daß man ihn unter die Füße stampfen müsse, das hat er gespürt. Jerusalem muß hin sein, Hierosolyma est perdita, die Initialen davon: Hep, Hep, das hat er damals gespürt, genau wie seine Soldaten. Aber was er gespürt hat, ist seine Sache, Gedanken sind unsichtbar, nur für seine Taten muß man einstehen. Möglich freilich, daß dieser listige Jahve es anders hält, der ja leider aus seiner Unsichtbarkeit heraus alles merkt. Vielleicht ist es deshalb, daß er sich jetzt an ihm rächt und ihn krank macht und ihm alle Tatkraft und Freude nimmt. Vielleicht wäre es klüger, an Stelle des Doktor Valens einen guten jüdischen Priester zu Rate zu ziehen. Er muß das mit seinem Juden Josef bereden.
      Ach, wenn er es mit Berenike bereden könnte. Wenn er sie da hätte. Es ist ihrethalb, daß er diesen Feuertelegrafen eingerichtet hat. Sicher weiß man es längst in Judäa, daß der Alte tot ist. Sicherlich auch hat es Berenike in der Einsamkeit ihrer judäischen Besitzungen erfahren. Sicherlich weiß sie, wie sehr er sie braucht, sicher ist sie längst aufgebrochen. »O Vespasian, o mein Vater Vespasian«, bewegten sich seine Lippen. Aber seine Gedanken sind bei Berenike. Er berechnet, daß sie bei gutem Wind in zehn Tagen schon hier sein kann.
      Endlich ist man auf dem Forum. Man macht halt vor der Rednertribüne. Titus ersteigt die Bühne. Er ist ein guter Redner, Lobreden auf Tote sind dankbare Aufgaben, er ist gut vorbereitet. Auf einem in der Falte seines Ärmels versteckten Täfelchen hat er stenographische Notizen. Seiner Sache sehr sicher also, ja mit einer gewissen Freude, begann er zu spre chen. Doch merkwürdigerweise wich er sehr bald ab von dem, was er sagen wollte. Er sagte fast nichts über den englischen Feldzug des Toten und wenig über die Errettung des Reichs und die Stabilisierung der Wirtschaft. Mit schmetternder Kommandostimme aber, in langen Sätzen, pries er, wie der Tote Jerusalem, die niemals eroberte Stadt, genommen und zerstört habe. Verwundert hörten es die Römer, Bübchen grinste geradezu. Auch die Juden standen erstaunt. Warum wollte es der neue Kaiser nicht wahrhaben, daß er der Zerstörer des Tempels war? Bedeutete es für sie Gutes oder Schlechtes, daß der neue Herr seine eigenen Taten zugleich mit der Leiche verbrennen wollte?

    Auf dem Marsfeld war in Pyramidenform ein ungeheurer Scheiterhaufen errichtet, mit sieben sich verjüngenden Stockwerken. Die Pyramide war mit goldbestickten Decken bekleidet, Elfenbeinreliefs und Gemälde verherrlichten die Taten des Mannes, der jetzt im Begriff war, ein Gott zu werden. Gaben, die Senat und Volk dem Toten gespendet hatten, waren über die sieben Stockwerke verteilt, Speisen, Kleider, Schmucksachen, Waffen, Geräte, was immer ihm im Jenseits lieb und nützlich sein mochte. Weithin duftete der Scheiterhaufen nach Wohlgerüchen, nach Gewürz, Weihrauch, Balsam, auf daß der Gestank des Brandes übertäubt werde.
      Die Dächer der Gebäude ringsum, der Theater, Badeanstalten, Wandelhallen, waren bedeckt mit Zuschauern. Vier große Tribünen waren errichtet für diejenigen, die man am Zug nicht hatte teilnehmen lassen können, weil die Entfernung vom Palatin zum Marsfeld nicht lang genug war, alle Berechtigten zu fassen.
      Auf einer der Tribünen hatte man den Vorstehern der sieben jüdischen Gemeinden Roms Plätze angewiesen. Zu ihnen hatte sich Claudius Regin gesellt. Es waren sehr gute Plätze, und die jüdischen Herren betrachteten das als günstiges Zeichen.
      Es war bitter notwendig, daß endlich freundlichere Winde kamen. Die Regierung hatte seinerzeit die Juden Roms den Aufstand in Judäa

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