Die Söhne.
zugetan war, daß Nikion trotz der Verbundenheit mit ihrem uralten Volk ihm die Zerstörung des Tempels verzieh und ihn liebt. Versagt er so übel hier vor diesem jungen Menschen? Was soll das kleinliche, kümmerliche Gezänk? Er steht auf, tritt zu dem Sitzenden, legt ihm den Arm um die Schulter. »Nimm Vernunft an, Bübchen«, bittet er nochmals. »Mach keine Geschichten, die zuletzt nur dich selber schädigen. Zwing mich nicht, Härte gegen dich anzuwenden.« Er macht ihm neue Angebote, ihm zu beweisen, wie ehrlich er es mit ihm meint. Er will, um das Volk endgültig für die Dynastie zu gewinnen, öffentliche Bauten größten Stiles errichten, er will Spiele geben, wie man sie noch niemals gesehen hat. Bübchen, bietet er ihm an, soll für viele dieser Bauten, soll für die wichtigsten dieser Spiele als Protektor zeichnen und die Ehre davon haben.
Domitian hat die Oberlippe noch mehr vorgewölbt, er sitzt steif und ablehnend da. Sicher sind das Fallen, die Titus ihm legt. Das Volk endgültig für die Dynastie gewinnen will er? Aha, er sieht ein, wie wenig Anhang er im Volk hat. Er braucht ihn, er braucht den Namen des Jüngeren. Bauten großen Stiles errichten will er? Aha, er will ihm seine guten Baumeister abspenstig machen, die Grovius und Rabirius. »Ich will Mitregent sein oder nichts«, sagt er feindselig, starrköpfig.
Titus hört ihn an. Wut steigt in ihm hoch. Aber er darf sich nicht hinreißen lassen. Wenn er heftig wird, verdirbt er die Sache vollends. Um ruhig zu bleiben, sagt er sich vor, was alles für den Bruder spricht. Man hat ihn, als er ein Knabe war, elend und knapp gehalten; dann plötzlich, er war kaum achtzehn, fiel ihm die Stellvertretung des Vaters in Rom zu, das Regiment der halben Welt. Kein Wunder, daß einer da das Gleichgewicht verliert. Bübchen ist nicht unbegabt. Er hat Ideen, er hat Elan. Das Ungestüm, mit dem damals der Achtzehnjährige die junge, strotzende Lucia dahin brachte, sich scheiden zu lassen und ihn zu heiraten, war imposant. Imposant auch bei aller Überflüssigkeit der Schneid, mit dem er damals zur Armee nach Gallien aufbrach. Gibt es denn kein Mittel, den Bruder spüren zu lassen, wie läppisch sein Mißtrauen ist, wie überflüssig seine Quertreibereien?
Nein, es gibt keines. Bübchen spürt nichts. »Du wirst natürlich bei der Leichenfeier deinen Demetrius Liban beschäftigen?« fragt er bösartig. Titus hat geschwankt, ob er das tun soll. Jetzt, gereizt durch den Ton des Bruders, kann er sich trotz aller Mühe nicht länger zähmen. »Ja«, sagt er scharf, ich werde mir gestatten, diesen Künstler zuzuziehen.« – »Du weißt«, erwidert giftig Domitian, und jetzt ist es aus mit seiner Höflichkeit, seine Stimme kippt, »daß Vater den Favor genommen hätte. Keinen anderen. Deinen Juden mit seinen vulgären Übertreibungen bestimmt nicht.« – »Dein Favor ist wohl diskret?« höhnt Titus zurück. »Das Couplet von den Schweinen ist wohl diskret?« Trotz des Schmetterns läßt Bübchen sich jetzt nicht einschüchtern. »Das stand zu erwarten«, erwidert er, »daß dein orientalischer Geschmack an den Schweinen Anstoß nimmt.«
Den Titus wurmt es, daß er auf den kindischen Ton des Bruders einging, daß er nicht hat durchhalten können. Er macht einen letzten, großen Versuch, Bübchen zu gewinnen. »Ich kann dich nicht zum Mitregenten machen«, sagt er, die Augen nach innen gestellt, versunken, gequält geradezu. »Du kennst die Gründe. Aber alles sonst will ich dir geben. Heirate Julia.«
Domitian sieht auf. Das ist mehr, als er erwartet hat. Wenn dieser da ihm die Tochter zur Frau geben will, statt ihn umbringen zu lassen, so bedeutet das allerhand. Wer kann wissen, ob Titus immer von der gleichen Langmut bleiben wird, ob er sich nicht doch eines Tages entschließt, sich des gefährlichen Nebenbuhlers zu entledigen, ihn zu beseitigen. Er, Domitian, an seiner Stelle hätte es längst getan. Heiratet er Julia, dann ist ihm Leben und Anspruch auf die Nachfolge gesichert. Dazu ist Julia schön. Blond, fleischig, weißhäutig, von einer lässigen, reizvollen Trägheit. Eine kurze Zeit schwankt er. Doch sehr bald wieder fällt ihn das alte Mißtrauen an. Der andere will, daß er Julia heirate, sich von Lucia scheiden lasse? Aha, Titus will Lucia für sich selber, will zeigen, daß ihm die Frau, die der Bruder geheiratet hat, als Freundin gerade recht ist. Gefehlt, mein Lieber. Darauf fällt dir ein Domitian nicht herein.
Er stellt
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