Die Söhne.
vergleicht: ein billiger Bruder ist Bübchen nicht. Und ganz zahm ist er auch noch nicht. Diese Sache mit Julia, sicher hat er ihm nur einen Tort antun wollen. Es ist ein kümmerlicher Tort, es ist merkwürdig, daß Bübchen nichts Besseres eingefallen ist, dieser Streich jedenfalls ist ihm gründlich danebengeglückt. Titus ist nicht weiter gekränkt. Wenn Bübchen seine Julia gefällt, dann gönnt er ihm und ihr das Vergnügen. Die weiße, fleischige Julia ist freilich etwas wählerisch, und es ist fraglich, ob ihr Domitian gefällt. Wie immer, es bleibt ein kahler, einfallsloser Spaß, durch den Bübchen es ihm zeigen will. Was ist das schon für eine »Rache«? Lucia, er hat dem andern Lucia ausgespannt, und wenn Julia auch sein eigen Fleisch und Bein ist, niemand kann sie im Ernst mit Lucia vergleichen. Im übrigen, Julia scheint nicht gewollt zu haben, Lucia aber hat gewollt. Und Titus lacht, er lacht hoch und fein, hi, hi, lacht er über die ärmliche, ohnmächtige Rache des andern.
Daran, daß er vielleicht deshalb hier liegt, weil Domitian es so gewollt hat, denkt er nicht.
Vielmehr richtet er – den Kopf kann er nicht bewegen, wohl aber die Augen – den Blick auf Lucia. Da ist sie ja, Lucia, denkt er. Wenn er ihr früher begegnet wäre, wäre sein Leben anders verlaufen. Aber auch so ist es gut. Die Anerkennung seiner Römer hat er, die Dynastie sitzt fest, kein Nero kann ihn mehr schrecken. Da liegt er und schwitzt. Es ist ein gesundes Schwitzen, diese Krankheit ist die Krise, und mit ihr schwitzt er den Osten völlig aus seinem Blut heraus. In Zukunft wird keine Jüdin ihn mehr in Versuchung bringen.
Aber warum sind sie eigentlich alle da, Bübchen, Julia und Lucia? Aha, wegen seiner Krankheit. Er war offenbar sehr krank. Aber jetzt hat er es hinter sich. Keine kleine Enttäuschung für Bübchen. Und Titus lächelt ihm zu, amüsiert, spöttisch, bittet ihn durch seine Miene geradezu um Entschuldigung, daß er kein Gott geworden ist.
Einen vermißt er. Einem muß er sagen, daß er jetzt genesen ist und den Osten aus seinem Blut herausgeschwitzt hat. Gerade dieser muß es erfahren, das ist wichtig, und so bald wie möglich, noch bevor er zurück nach Rom fährt, will er es ihm sagen. Er schickt einen Kurier nach Rom, in das Haus im sechsten Bezirk, um Flavius Josephus herbeizuholen.
Doch bald darauf, lange noch bevor Josef ankam, überfiel den Kaiser ein neuer Fieberanfall, schlimmer als der erste. Domitian befragte den Doktor Valens. Der schaute ihn mit seinem kalten, prüfenden Blick an und sagte: »Ich werde die Majestät in ein Schneebad bringen lassen. Wenn es gut geht, kommt der Kranke noch einmal zur Besinnung. Aber es besteht wenig Hoffnung, daß er den Tag überleben wird.« – »Sie glauben«, fragte sachlich Domitian, »daß Kaiser Titus Flavius am 14. September ein Gott sein wird?« – »Ich glaube es«, erwiderte der Arzt, und unter dem weiter fragenden Blick
des Prinzen fuhr er fort: »Ich bin dessen sicher«, und fügte die Anrede bei: »Majestät.«
Wenn das Fieber gefährlich hochstieg, pflegten die Ärzte den Patienten in ein Schneebad zu stecken. Die Dauer eines solchen Bades richtig zu dosieren war schwierig und galt für den Prüfstein eines guten Arztes. Oft hatten Schneebäder den Patienten vor dem sichern Tod gerettet; doch manchmal auch starb ein Patient im Schneebad.
In der felsigen Grube des Hauses bei Cosa hielt sich der Schnee hart und gut. Man grub, unter Aufsicht des Arztes Valens, den schweren, glühheißen Körper des Kaisers tief ein. Die Damen Lucia und Julia – Domitian hatte das Gut verlassen – standen fröstelnd in dem Keller, die schmale Luke und der Schnee gaben mattes Licht, sie schauten widerwillig gespannt zu, wie man den Kaiser eingrub.
Titus kam zu sich. Er war ängstlich erregt, daß Josef noch nicht da war. Er wußte jetzt, daß er sterben werde. Er schauerte vor Schwäche und Frost. Seine Haut war bläulich; er preßte die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Man flößte ihm einen von Valens bereiteten Trunk ein, um seine schwindende Kraft aufzupeitschen. Er sprach nicht, auch die beiden Frauen schwiegen, es war finster und kalt. Erst ging Julia, dann ging auch Lucia. Als Josef kam, fand er niemand bei dem Kaiser, nur den Valens.
Titus schickte den Arzt weg. Josef stand allein vor dem Sterbenden, der mit starren Gliedern im Schnee lag. Nochmals neigte er sich tief und wiederholte den Gruß: »Hier bin
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