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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Klirrend, befriedigt grüßten sie den neuen Herrn und blieben gern die Nacht über unter Waffen.
      Durch alle Straßen der Stadt jagten Kuriere. Bewegung war, Fackeln, Patrouillen, die Häuser erleuchteten sich. Viele Senatoren, ohne daß die Konsuln sie entboten hätten, begaben sich hastig und erregt in die Julische Halle. Sie fanden das Gebäude besetzt; alle strategischen Punkte der Stadt waren besetzt. Es wurde jedem einzelnen Senator mitgeteilt, Kaiser Domitian erwarte ihn in der Bibliothek des Palatin. Unbehaglich sahen die Herren, daß sich jedem von ihnen ein Detachement Soldaten anschloß, keineswegs in verletzender Form, eher wie ein Ehrengeleite. Unbehaglich sahen sie die Truppen vor allen wichtigen Gebäuden der Nacht, unbehaglich den wie eine Festung bewachten Palatin.
      Durch verstörte Dienerschaft, über schlecht erleuchtete Korridore, auf denen Offiziere beschäftigt hin und her eilten, wurden die Herren in die Bibliothek geführt. In betretenen Gruppen standen die Berufenen Väter zusammen, aus dem Schlaf aufgestört, viele nur notdürftig angezogen. Man bezweifelte die Authentizität der Todesnachricht, aber keiner traute dem andern, man wagte nur flüsternde Worte über das, was alle bewegte; laut machte man wortkarge Konversation über Nebensächliches, daß man eigentlich bereits heizen müsse und dergleichen. Endlich, von den wachhabenden Offizieren mit der Ehrenbezeigung und dem Gruß, der dem Kaiser vorbehalten war, empfangen, erschien Domitian. Die Arme eckig nach hinten, sorgfältig angezogen, doch ohne andere Insignien als die der senatorischen Würde, auch ohne Abzeichen der Trauer, ging er zwischen den einzelnen Gruppen herum, ausgesucht höflich, ja mit gespielter Schüchternheit und Demut. Man war sich im unklaren, was er eigentlich wollte. Es war keine Frage, daß man ihm den Huldigungseid leisten werde, es hätte dazu des Truppenaufgebots nicht bedurft. Aber was die Herren ängstigte, war der Zweifel, ob er die Privilegien der einzelnen bestätigen werde; vor allem die Freunde des Titus fürchteten eine Minderung ihrer Stellung und ihres Einkommens. Wie überhaupt wird es der neue Herr mit dem Andenken seines Bruders halten? Wollte er, daß man sich freue, einen neuen, so begnadeten Kaiser bekommen oder einen so begnadeten Kaiser verloren zu haben? Man wußte natürlich, wie sehr Bübchen seinen Bruder gehaßt und verachtet hatte. Aber wird er nicht, um das Ansehen der Dynastie zu erhöhen, wünschen, daß man ihn, nun er tot war, wie den Vater unter die Götter erhebe? Dieser Zweifel beschäftigte die Herren so, daß sie nicht einmal in Gedanken mehr wagten, Domitian Bübchen zu nennen oder sich einzugestehen, daß er einen beginnenden Bauch habe und daß seine eckig starre Haltung diesen Bauch betone.
      Domitian, sicher im Schutz seiner Garde, spürte bald, wieviel er sich mit diesem Senat erlauben dürfe. Er begann, sich an der Unsicherheit der Herren zu weiden. Er dachte an jene Nacht des zwanzigsten Dezember, da, während Vespasian und Titus in Judäa standen, in Rom die Anhänger des Vitell und des Vespasian um die Macht gekämpft hatten. Damals waren er, sein Onkel Sabin und die dem Vespasian anhangenden Senatoren auf dem Capitol belagert gewesen, dann war das Capitol im Sturm genommen, Sabin und die meisten andern ermordet worden, und er selber hatte sich, als Isispriester verkleidet, nur mit genauer Not retten können. An die Angst jener Nacht also dachte er, und es machte ihm Spaß, jetzt die Angst der Freunde des Titus auszukosten, sie durch finstere Späße zu steigern.
      »Scheint es Ihnen nicht angebracht, mein Älian«, fragte er etwa, »die Majestät meines toten Bruders wie die meines Vaters unter die Götter zu erheben?« Aber als Senator Älian rasch und stürmisch ja sagte, schaute er ihn sorgenvoll an und gab ihm, fast unterwürfig, zu bedenken: »Muß man nicht, mein Älian, die Verdienste eines Fürsten sehr sorgfältig prüfen, ehe man ihm eine solche Ehrung zubilligt?« Und »Was meinen Sie, mein Rutil?« wandte er sich an einen andern. Und als der verwirrte Senator Rutil zögerte, wunderte er sich, höflich, doch mit sichtlicher Mißbilligung: »Merkwürdig, daß nicht einmal ein Mann, der dem Verstorbenen so eng befreundet war wie Sie, mein Rutil, von allein daran denkt, ihm eine solche Ehrung zu erweisen.« Der unglückliche Rutil begann schnell etwas zu stammeln, doch Domitian hatte sich schon einem Dritten zugekehrt.
      Alle atmeten auf,

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