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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Aber mehr Ehre. Wenn ich von den hundertfünfzig Millionen, die ich aus den enteigneten Terrainschnitzeln herausquetsche, nur drei Prozent für literarische Konkurrenzen und Preise stifte, dann sitze ich so dick in Ehre, daß das Gemecker über die Enteignungen nicht an mich herankann.
      Unter dem Kaiser Domitian, meine Lieben, werden die literarischen Veranstaltungen anders ausschauen als jetzt. Ich muß es dahin bringen, daß man bei einer literarischen Konkurrenz nicht weniger fiebert als bei einem Wagenrennen. Nur: wen soll man heute zum Preisrichter machen? Pack. Gesindel. Sie wissen nicht, was gut ist und was schlecht. Man kann sie mit einem Hauch dahin bringen, daß sie schwarz heißen, was ihnen gerade noch golden war. Es lohnt nicht, ihr Kaiser zu sein. Bei den Ziffern dieses widerwärtigen Regin weiß man wenigstens, woran man ist. Man sollte meinen, Literatur, Verse, das sei jenseits ihres Schmutzes. Aber wenn sie den Olivenkranz anlangen, wird er genauso dreckig, wie wenn sie Geld anlangen.
      Späße zu machen, hat der Alte verstanden. Aber die besten Späße, die höheren, subtileren, hat er sich entgehen lassen. Es ist eine Scheißgeneration. Man muß die Menschen klein machen und sie demütigen, immer noch kleiner; dann vielleicht hat man manchmal das Gefühl, man selber sei groß.
      Regin war schon eine ganze Weile verstummt. Domitian fuhr auf, riß sich zusammen. »Ich danke Ihnen sehr, mein Regin«, sagte er, »für Ihren Vortrag. Ich werde Ihrem Rat folgen, wenn es erst soweit ist.«
      Regin entfernte sich gut gelaunt. Domitian war ein Lump, seine Seele war zerfressen und verkommen. Aber von seinem Vater geerbt hatte er das Talent fürs Organisieren und eine gute Rechenhaftigkeit. Claudius Regin fühlte sich neu belebt, nun er Gelegenheit witterte, sein sportliches Interesse an der Ordnung der Reichsfinanzen wieder sinnvoll zu betätigen.

    Im Spätsommer, als die Hitze nachließ, lebte Titus plötzlich auf. Am zweiten September wurde bekanntgegeben, daß der Kaiser, der sich ziemlich lange nicht mehr gezeigt hatte, am vierten der Eröffnung der Großen Spiele im Amphitheater beiwohnen werde.
      Rom freute sich. Die Gerüchte von der Krankheit des Titus hatten die Stadt beunruhigt. Domitian war unbeliebt, die Furcht vor dem übeln Nachfolger steigerte die Liebe zu dem regierenden Kaiser. Zudem war die Stadt erregt durch Kundgebungen des falschen Nero, der noch immer nicht erledigt war. Jede Woche tauchten neue Proklamationen auf, in denen der Prätendent – Enkel des Augustus, Abkömmling des Julius Cäsar und der Göttin Venus nannte er sich – verkündigte, er sei den Nachstellungen eines verräterischen Senats entgangen und werde in allernächster Zeit aus dem Osten hervorbrechen, den Blitz in der Hand, um die flavischen Emporkömmlinge zu vernichten. Seit einem Jahr fast hielt dieser Nero die asiati schen Provinzen in Atem, offensichtlich unterstützt von den mächtigen Grenznachbarn der Römer, den Parthern. Schon sprach man von einem neuen parthischen Krieg, und es war gut, daß sich der Walfisch endlich einmal wieder seinem Volke zeigte.
      Zehntausende also wohnten dem feierlichen Opfer bei, mit dem der Kaiser die Spiele einleitete. Der weiße Stier wurde herbeigeführt, der Großpriester hob das Messer, schon machte Titus sich bereit, mit der Schale das Blut aufzufangen, um es vor dem Altar auszugießen. In diesem Augenblick, unmittelbar vor dem tödlichen Stich, riß sich der Stier los und brach, den Strick noch um Bein und Hals, unter die schreiende Menge. Panik entstand, viele wollten später aus dem heitern Himmel Donner gehört haben. Titus tat, als schrecke ihn das böse Zeichen nicht. Sein schlaffer, breiter Knabenkopf, der in den letzten Tagen ein bißchen Farbe angenommen hatte, erblaßte freilich wieder, und die engen Augen, schläfrig und entzündet, verschwanden fast völlig unter den Lidern. Aber er stand ruhig da und wartete, bis der Stier wieder eingefangen und das Opfer vollendet war. Dann, wie er es angekündigt, fuhr er pomphaft ins Amphitheater.
      Dort freilich saß er verfallen auf seinem mächtigen Sessel, und es kostete ihn Mühe, dem Zuruf der Massen gebührend zu danken. Der Anblick des gewaltigen Baus, der festlichen Zuschauer, der Menschen und Tiere, die in der Arena zu seinen Ehren und seinem Ergötzen starben, machte ihn nicht froh. In ihm war ein vages Gefühl, daß er das letztemal hier sitze und seine so teuer erkaufte Beliebtheit

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