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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Garsid hatte als Soldat Carlyrs keinen einzigen Affenmenschen zu Gesicht bekommen. Vielleicht gab es sie gar nicht mehr. Vielleicht waren sie ausgestorben oder von Panzerlöwen gefressen worden.
    Die Männer dösten wenig, schauten lieber nach vorne und hinten aus den Planwagen heraus, um nahende Feinde so früh wie möglich erblicken zu können. Die Wüste jedoch wirkte wie leer gefegt. Keine Echsengeier, die irgendwo kreisten. Keine Warane oder anderen Reptilien, die über den Boden züngelten. Nach wie vor keine Insekten, nirgends. Der Himmel war silberfarben und ruhig, Bewölkung und Firmament waren ineinandergerührt zu einer Art Mörtel. Der Weg war so eben und breit, dass die Wagen von Gyffs und Deleven nebeneinander fahren konnten. Von den Holtzenauen lenkte seinen hinter den von Leutnant Gyffs und Stodaert seinen hinter den von Korporal Deleven, sodass die Dritte Kompanie eine kompakte Kolonne bildete.
    Dann, noch vor der Mittagsstunde, erreichten sie den ehemaligen Kampfplatz. Alle waren überrascht, dass sie schon so früh dort anlangten. Sie konnten sich noch zu gut daran erinnern, wie sie – das Ganze war ja erst neun Tage her! – sechs Stunden bis zur Abenddämmerung und dann noch einmal beinahe genau so lange als taumeliger Fackelzug durch die tiefe Nacht marschiert waren, um von hier aus zur Festung zu gelangen. Jetzt, mit den Wagen, schien das gar nicht weit weg gewesen zu sein.
    Der Schauplatz war unverkennbar. Die Panzerlöwin lag immer noch hier, ein Skelett ummantelt mit Hornplatten. Sie hatte ihre Lage verändert wie in einem unruhigen Schlaf – größere Raubtiere hatten an ihr gezerrt und ihre Gliedmaßen in Unordnung gebracht, aber sie sah noch immer riesig und Ehrfurcht gebietend aus. Kein Fetzen Fleisch war ihr geblieben, keine Mumifizierung. Das Skelett war sauber abgenagt und glänzte reinlich unter dem silbrigen Himmel.
    Um sie herum war die Erde aufgewühlt. Und da, dieser dunklere Fleck dort, mochte Garsids Blut sein oder dort drüben jener das von Ellister Gilker Kindem.
    Die Männer und Loa Gyffs schauten nicht allzu lange hin, als würden sie hier eine Totenruhe stören oder eine Erinnerung, die in der Lage war, sie alle zu lähmen und niederzuwerfen. Alman Behnk rieb sich unbewusst den Arm. Eremith Fenna strich sich über den Schädel. Und alle fragten sich: Wenn es hier keine Insekten gab – wer nagte dann die Knochen so sauber?
    Wind kam auf und wirbelte Staub über die Ebene.
    Die zwei Säulen voraus begannen sich in den Hüften zu wiegen wie Tänzerinnen.
    Der geballte Vierertreck ratterte weiter voran, durch Kies, Erde, trockenen Lehm und leichtes Geröll. Der Wind ließ die Planen Wellen schlagen und gegen die Wagenkästen klatschen. Mehrere der Männer grübelten darüber nach, weshalb die Armee weithin sichtbares Weiß für ihre Wagenplanen verwendete, anstatt auf die Idee zu kommen, die Wagen in Gelb- und Brauntönen zu tarnen.
    Das weithin sichtbare Weiß bildete im Wind Figuren und Gesichter aus. Die sechzehn Pferde und vier Kutscher wurden mit schneidendem Sand beworfen. Leutnant Gyffs hielt kurz an, um sich in eine Decke zu hüllen, und fuhr dann mit hochgezogenen Schultern weiter. Sie erkundigte sich bei »Scheusal« Kertz, wie viel Schutz seine Augengläser bei einem Sandsturm boten, doch der erklärte ihr, dass alles – ob Regen, Staub oder Dreck – immer auch hinter die Gläser und in die Augen gelangte. »Und manchmal verfangen sich sogar Viecher dahinter und finden nicht mehr raus, das ist dann wirklich fies.«
    Der Himmel verfinsterte sich über dem stürmischen Sand.
    Der Treck folgte weiter den tanzenden Säulen.
    Am Nachmittag rief Tadao Nelat eine von hinten kommende Bewegung aus. Er wollte schon einen Pfeil einlegen, aber Leutnant Fenna hielt ihn zurück. »Das ist Gollberg«, raunte Fenna heiser.
    Zwei Sandstriche lang konnte sich dessen niemand sicher sein, zu unförmig und wütend war die Staubwolke, die sich dort hinter ihnen näherte, aber dann kristallisierten sich tatsächlich Reiter heraus. Der auf seinem Ross winzig wirkende Gollberg. Onjalban neben ihm. Die Korporale. Gerris Resea mitten im geordneten Pulk.
    Der Hauptmann grüßte schon von Weitem. Leutnant Fenna grüßte zurück. Dann passierte die erste Kompanie die hinteren Wagen und schloss nach vorne zu Leutnant Gyffs auf.
    »Alles ruhig so weit?«, fragte Gollberg.
    »Der Wind gebärdet sich heute ein bisschen bockig, Hauptmann«, erwiderte Gyffs. »Wir hatten Euch so früh noch gar

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