Die Soldaten
Fenna wurde derart neu eingekleidet, aber die Uniformen der königlichen Armee waren überall auf dem Kontinent identisch. Das vertraute hellblaue Armeehemd, das vertraute wattierte, ebenfalls hellblaue Wams mit den golden getönten Schließen. Die goldbraunen Hosen – aus dem Material, das man Barchent nannte –, welche in knöchelhohem Schuhwerk steckten. Der dunkelbraune Hartlederkürass mit seinem Kronenornament und dem Leutnantsemblem. Das neue, verschnörkelte »C« neben diesem Emblem. Ein neuer Helm aus mattgoldenem Metall – das in der Sonne nicht so hell und weithin glänzte –, ebenfalls mit einem klein an der Seite verstecktem »C«. Der Helm bedeckte lediglich Schädelplatte und Stirn und wurde mit einem ledernen Gurt unterm Kinn festgezurrt. Alles fühlte sich noch rau und steif an, aber auch stabil. Als Waffen behielt Leutnant Fenna seine alten aus Chlayst, aber die Scheiden – aus Holz mit Lederüberzug – trugen das Chlayster Perlenwappen anstelle des Carlyr-»C«s und mussten deshalb ausgetauscht werden. Auch der Schild – rund, aus mit Leder vernageltem Regenwaldhartholz und mit zwei Armschlaufen an den Innenseiten – zeigte das »C« an der Innenseite. Fenna war nun äußerlich ein Carlyrer.
»Puh, ist das heiß in dieser Rüstung«, jammerte Behnk. »Für den Sommer ist das ja gar nichts!«
»Das ist eine Sommer rüstung«, erläuterte Fenna geduldig. »Im Winter bestehen die Hosen aus dicker Wolle, die Schuhe werden zu Stiefeln, unter das Wams kommt noch ein langärmeliges Leinenhemd, in den Helm wird eine Zwischenmütze eingenäht und über der ganzen Rüstung trägt man einen blauen, an den Schultern befestigten Mantelumhang. Das ist also noch gar nichts.«
Die Männer machten Knie- und Rumpfbeugen, um sich an das neue Material zu gewöhnen. Nur fünf von ihnen sahen restlos zufrieden aus: Bujo Stodaert, Breff Adirony Teppel, Ildeon Ekhanner, »Scheusal« Kertz und Ellister Gilker Kindem. Alle anderen waren mäkelig. Der Leutnant war wieder kurz davor, seinen Befehl zu verfluchen, aber erneut fiel ihm etwas auf: Die Kinder aus seinen Träumen waren verdrängt worden durch Behnk und Jonis und das »Scheusal«. Behnk und Jonis und das »Scheusal« zeterten, spotteten, patzten, mühten sich und lachten auch einmal. Die Kinder hatten nicht mehr lachen können.
Abermals führte Fenna seine Männer auf den Hof, damit sie dort das Strammstehen in voller Rüstung üben konnten. Sie lernten die Waffen zu präsentieren, ohne sich zu schneiden. Sie lernten, einen geraden Rücken zu machen und den Schildarm so durch die Schlaufen zu führen, dass der Schild nicht polternd herabfallen konnte. Sie lernten, Geduld und Ruhe zu bewahren und auch einmal ohne zu schnattern oder zu plappern stillzustehen.
Um sie her herrschte Dunkelheit. Der Hof war nur auf das Nötigste beleuchtet.
Aber als es dann auf die Mitternacht zuging, erschien die Zweite Kompanie von Hobock & Sells und schmückte den gesamten Innenraum der Festung Carlyr mit lodernden Fackeln. Eine feierliche Atmosphäre begann sich aufzubauen. Die Grünhörner fingen vor Spannung an zu beben.
Die Zweite Kompanie nahm Aufstellung. Leutnant Hobock instruierte Leutnant Fenna, wo die zu Vereidigenden sich aufstellen sollten. Fenna dirigierte seine Männer vor die Führung & Leitung . Dann erschien Oberst Ibras Jenko im vollen Ornat seiner Orden und Verdienstplaketten. Die Grünhörner präsentierten auf Fennas Wink hin ihre Waffen, ohne sich zu schneiden.
»Männer!«, rief der Oberst, sodass es vom Hauptturm der Festung widerhallte. »Im Namen der Königin und im Namen der Festung Carlyr möchte ich euch in der Armee willkommen heißen. Die Vereidigung ist, nun ja, keine große Sache, aber dennoch wird euer Leben nachher ein anderes sein. Werdet nicht mehr nur an euer eigenes Wohl oder das eurer unmittelbaren Familie zu denken haben – der ganze Kontinent wird euch zum Schutze übergeben! Also sprecht mir nach, den feierlichen Eid der königlich kontinentalen Armee. Ich gelobe « – mit rauen Stimmen deklamierten die Grünhörner den Eid in wohldosierten Abschnitten – »der Königin Treue zu wahren und mich ihrer Gunst, ihrer Farben und ihres behütenden Kronenwappens wert zu erweisen. Ich gelobe, für die Belange des Kontinents einzustehen mit meinem Blut, meinem Verstand und meinem Willen, und den Befehlen meiner Vorgesetzten stets und in jedem Falle Folge zu leisten. Ich gelobe, nicht hochmütig zu sein gegenüber jenen, die keine
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