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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hatten keinen Tusch bekommen. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Hauptmann Gollberg, hatte es nicht für nötig gehalten, ihre Vereidigung mit seiner Anwesenheit zu beehren. Oberst Jenko hatte zwar eine hübsche Ansprache gehalten, es aber nicht einmal für nötig erachtet, sich vorher eine Namensliste der zu Vereidigenden aushändigen zu lassen. Selbst der Schreiber Lement ließ sich immer nur dann blicken, wenn Fenna ihn ausdrücklich anforderte. Einzig Hobock & Sells und ihre Kompanie hatten den Grünhörnern die Ehre erwiesen. Das war zu wenig in einer Festung, die nur halb besetzt war und in der es kaum etwas zu tun gab.
    Dazu kam noch, dass man ihm in den kommenden Tagen eine Akademieoffizierin aus Uderun als gleichberechtigte Befehlshaberin an die Seite stellen würde – um ihn zusätzlich zu behindern, bei Fuß zu behalten, am eigenmächtigen Handeln zu hindern. Aber wie konnte man überhaupt einem ausschließlich akademischen Absolventen lebendige Menschen als Untergebene anvertrauen? Holzklötzchen auf einer strategischen Karte: ja. Mit Stroh gefüllte Übungspuppen auf dem Kasernenhof: warum nicht? Aber Menschen, die selbst unerfahren waren und die sterben konnten, wenn man ihnen einen Befehl erteilte, der sich zwar in der Theorie recht schön anhörte, der aber überhaupt nicht mit der Realität abgeglichen war? Auf keinen Fall!
    Überall wurden ihm Bremsklötze in den Weg gelegt. Allzu scharf macht schartig – was für ein Witz!
    Fenna begriff, dass seine Dritte Kompanie aus Opferlämmern bestand. Frischfleisch, das in eine Bresche gestopft und verheizt werden konnte, weil eben nichts Besseres verfügbar war. Gollberg wollte die Dritte benutzen, um auf dem Manöver vor dem General zu glänzen. Jenko benötigte irgendeine Zahl an Soldaten, damit er der Königin gegenüber eine Mindestbesetzung zu vermelden imstande war. Irgendwann würde die Königin die Dritte Kompanie losschicken, um wieder irgendeinen vollkommen schwachsinnigen Vorstoß gegen die Affenmenschen durchführen zu können. Allen waren die Behnks und die »Scheusale« und die Teppels, selbst die Reseas und Delevens und Garsids vollkommen egal.
    Eremith Fenna beschloss, jeden zu überraschen.
    Genau genommen hatte er das schon beschlossen, als er Gollberg die Wette angeboten hatte, aber damals hatte er es wirklich noch für eine gute Idee gehalten, seinen eigenen Posten aufs Spiel zu setzen und beim Verlieren der Wette nach Chlayst zurückgeschickt zu werden. Aber das änderte sich jetzt. Sie hatten keinen Tusch bekommen. Keinen Hauptmann. Keinen Wein hinterher. Keine persönliche Ansprache durch den Oberst. Er selbst, Fenna, galt ebenfalls als »beschädigte Ware«. In einem Alter, in dem ein Gollberg schon längst Hauptmann war, lag Fenna als Leutnant vier volle Monde lang in einem Lazarett. Ilintu hätte ihn wohl nie vier volle Monde in einem ihrer Betten geduldet, was für Schwächlinge mussten das also sein in Chlayst?
    Leutnant Fenna nahm sich vor, seinen vierzehn Schützlingen alles beizubringen, was er selbst sich in vierzehn Jahren Armeedienst angeeignet hatte.
    Er begann an diesem Tag mit Fallübungen.
    Wenn die Männer imstande waren, ohne sich zu verletzen hinzufallen, waren alle denkbaren Kampfbegegnungen und auch Klettermissgeschicke bereits in ihrer Gefährlichkeit entschärft. Fenna brachte ihnen bei, die Arme zu verwenden, um den Rumpf abzufedern. »Es ist besser, sich einen Arm zu brechen als mehrere Rippen oder sogar das Kreuz.« Er zeigte ihnen, wie man sich aus dem Fallen heraus abrollen und ohne große Verzögerung wieder hochkommen konnte. »Man muss den Schwung nutzen und in Geschwindigkeit verwandeln. Dadurch kann man wenigstens schon einmal nicht durch nachsetzende Attacken getroffen werden.« Er machte ihnen vor, wie man von unten herauf attackieren und einen bereits siegesgewissen Gegner somit empfindlichst überraschen konnte. »Schlagt nach seinen Beinen, an die kommt man im aufrecht stehenden Kampf ziemlich schwer heran. Ihr werdet sehen, was das ausmacht, wenn ein Gegner nicht mehr stehen kann.« Er ließ sie sich gegenseitig über die Schultern werfen, damit sie ein Gefühl füreinander bekamen. »Jeder von euch ist in der Lage, Behnk oder Kindem oder MerDilli zu werfen. Ihr müsst einen schwereren Kontrahenten nämlich nicht tragen und halten, ihr sollt ihn nur über euch hinwegrollen lassen.« Er zeigte ihnen, wie wichtig es war, sich von einem Auf- oder Zusammenprall nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.

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