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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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bei »Scheusal« Kertz angekommen und der Tatsache, dass seine Sehgläser dermaßen schmutzig, verschmiert und fettig waren, dass man kaum was dadurch erkennen konnte.
    Als sich Resea bei den Männern eingliederte, ließ sie von Kertz ab und wandte sich gleich dem Neuankömmling zu: »Und du bist ein Unruhestifter, ja? Du atmest vorzugsweise durch Gitter in Scheiben geschnittene Luft?«
    »Nein, Leutnant.«
    »Nein, Leutnant? Weshalb warst du dann im Gefängnis?«
    »Auf diese Frage möchte ich nicht antworten, Leutnant, weil ihre wahrheitsgemäße Beantwortung mich nur wieder ins Gefängnis bringt.«
    »Aber nicht doch. Für die Wahrheit wird hier doch niemand bestraft. Also, weshalb warst du im Gefängnis?«
    »Weil Leutnant Fenna ein Schlappschwanz ist, der seine Befehlsgewalt ausspielen muss, um sich Respekt zu verschaffen.«
    »Leutnant Fenna, hat der Soldat Resea recht?«
    »Aber nicht im Mindesten.«
    »Nicht im Mindesten. Dann steht hier ja wohl Aussage gegen Aussage. Und bei derartigen Konfrontationen zwischen Verschiedenrangigen hat der Höherrangige recht. So ist das, anders kann die Armee nicht funktionieren. Siehst du das ein, Soldat Resea?«
    Resea blinzelte irritiert. »Ich … denke schon, Leutnant.«
    »Er denkt. Na, dann gibt es doch noch Hoffnung. Bei mir beginnen alle von jetzt an noch einmal mit einem unbeschriebenen Blatt. Wir erlernen heute die Grundlagen der militärischen Etikette, und ab morgen beginnen wir mit der neuesten Entwicklung uderunischer Armeeausbildungskunst: Körperertüchtigungsübungen, die von Tag zu Tag merklich die Leistungsfähigkeit steigern. Darüber hinaus wird Leutnant Fenna seine Waffenausbildung wie gehabt fortsetzen. Und Soldat Resea: Auch du findest dich morgen beim Festungsbarbier ein und lässt dir die Matte abnehmen. Wir sind hier nicht auf einem Geckenball mit Tanz und Sahnetorte. Dies ist die Armee, und wichtiger noch: Dies ist die Festung Carlyr. Und jetzt: Augen rechts! Rechtsum! Marrrrrrsch! Im Gleichschritt! Gleichschritt bedeutet: mit Taktgefühl, verflucht noch eins. Links-zwo-drei-vier. Nein: Links -zwo-drei-vier- links -zwo-drei-vier. Geht denn hier gar nichts, Leutnant Fenna, was habt Ihr in den vergangenen zehn Tagen denn bloß getrieben?«
    Der Rest dieses Tages verging mit Exerzieren.
    Unter dem Gelächter etlicher Schaulustiger der Ersten und Zweiten Kompanien scheuchte Leutnant Gyffs die Dritte kreuz und quer über den Innenhof. Es hagelte »Rechtsums« und »Linksums«, es wurde marschiert mit Händen an der Hosennaht und mit schwingenden Armen, sodass die vierzehn Mann wie eine Gruppe seltsamer Weizenschnitter daherkamen. Sie übten Grüßen und Waffepräsentieren. Waffereinigen und Waffenscheide in Ordnung halten. Sie liefen im Gleichschritt in Reihe, in Zweierreihen, als 14er-Front, auf der Stelle, versetzt durcheinander und wieder zurück. Sie stießen dabei immer wieder gegeneinander, brachten alles in Unordnung und wirkten wie Komödianten in geborgten Uniformen.
    Fenna ärgerte sich darüber, dass dieser Blödsinn seine Truppe lächerlicher aussehen ließ als an sämtlichen Tagen zuvor. Durch seine teilweise spektakulären Wurf- und Kampfübungen hatte es Fenna immer geschafft, den Spott der erfahreneren Kompanien im Keim zu ersticken. Aber nun, als die Grünhörner mit ihren unterschiedlichen Körperumrissen wie Hampelmänner herumwackelten und dabei immer wieder aus dem Takt kamen, würden sie noch tage-, wenn nicht wochenlang als Material für Mannschaftsmessenwitze herhalten müssen.
    »Die Truppe ist grauenvoll, einfach grauenvoll«, sagte Leutnant Gyffs einmal seitlich zu Leutnant Fenna.
    »Sie sind grauenvoll in der Dressur, mag sein«, brummte dieser zurück. »Aber ich beabsichtige, sie glänzen zu lassen im Manöver und im Feld.«
    Am Abend waren alle erledigt, und Gyffs schickte die wackligen Gestalten im Gleichschritt zum Waschen und dann zum Festungsbarbier. Wie sich herausstellte, wurde auch diese Aufgabe von Jianna Klejahn erledigt. Sie war nicht nur Schneider- sondern auch Schnittmeisterin und besaß alle möglichen Arten von Scheren.
    Fenna und Gyffs nahmen noch eine wortkarge Mahlzeit in der Offiziersmesse ein, und dann bezogen sie beide ihr Zimmer. Sie spannten ein hohes Seil und hängten mehrere bereitgelegte Decken darüber, sodass der Raum in der Mitte blickdicht in zwei Hälften getrennt war. Leutnant Gyffs hatte nur unwesentlich mehr Gepäck mitgebracht als Fenna: eine zweite, saubere Uniform, ein wenig

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