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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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seine erste Begegnung mit der zukünftigen Dritten Kompanie. Das würde ihn sogar noch hinter den Giftsturm von Chlayst zurückwerfen, hinter das Lazarett, hinter die Kinder, als wäre dies alles vollkommen wertlos gewesen, umsonst geschehen, ein Gelächter trunkener Götter. Reseas Worte von gestern hallten durch seinen blutleeren Schädel: Das kann nicht passieren. Ich kann nicht verlieren. Er wusste sich nicht mehr anders zu helfen: Er riss seinen linken Arm frei und drosch Resea den Handballen gegen die Schläfe, so hart es nur irgend ging. Reseas Griff lockerte sich nicht. Fenna schlug noch mal zu. Resea winselte wie ein malträtiertes Tier, ließ aber immer noch nicht los. Ein dritter Schlag, ein vierter, ein fünfter. Endlich brach Resea zusammen. Fenna wollte ihn auffangen, strauchelte aber selbst. Beide krachten hart gegen Bottiche, rissen sie um, wurden von Restwasser durchnässt und umspült.
    »Ich habe ihn umgebracht«, dröhnte es in Fennas Schädel. »Ich musste ihn töten. Jetzt ist alles vorbei. Selbst nach Chlayst werde ich nicht mehr zurückkehren können.« Er fühlte sich elend, fast bereit zum Weinen.
    An der Tür war Bewegung von Licht. Eine Laterne. Ein Wachtposten. »Hallo? Ist da jemand?«
    Zu Fennas Überraschung war es Reseas Stimme, die antwortete: »Ja.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Ich … hatte schlecht geträumt und wollte mir den Schweiß runterwaschen. Dabei bin ich im Dunkeln über einen Bottich gefallen. Tut mir leid für den Lärm.«
    Der Wachtposten verkantete sich argwöhnisch in der Tür. »Bist du alleine da drinnen? Da gehen doch keine Sauereien vor sich?«
    »Wo denkst du hin? Ich bin von der Dritten. Wir wurden heute so gescheucht, dass ich sogar beim Waschen schon auf die Fresse falle.«
    »Ja, das habe ich mitbekommen mit dem Scheuchen. Die Neue macht euch ganz schön Feuer unterm Arsch, was? Mein Beileid, Kamerad.«
    »Danke, Kamerad.«
    Der Wächter und seine Fackel zogen sich zurück.
    Fenna traute sich wieder zu atmen. »Ist wirklich alles in Ordnung, Resea?«
    Reseas Umriss tauchte vor der Mondlichttür auf wie ein Phantom. »Ja. Meine Mutter kann härter zuschlagen als Ihr. Aber ich denke, Ihr schuldet mir nun etwas, Leutnant. Wenn der Wächter uns beide entdeckt hätte, ware das ein Skandal geworden. Schließlich sind Duelle in der Festung Carlyr ausdrücklich verboten.« Geschmeidig und lautlos, als hätte der Kampf ihn überhaupt nicht beeindruckt, huschte Resea aus dem Waschhaus.
    Fenna hatte Mühe, auf die Beine zu kommen. Seine Knie zitterten. Reseas Würgegriff hatte sich angefühlt wie die Umklammerung eines Ungeheuers. Wie war es möglich, dass der stutzerhafte Städter fünf harte Schläge gegen die Schläfe so gut weggesteckt hatte? Fenna hatte mit aller Kraft zugeschlagen, die ihm zu Gebote stand.
    Was spielte Gerris Resea bloß für ein eigenartiges Spiel? Wollte er Offizier werden, indem er andere Offiziere kompromittierte und dann erpresste? Das ergab doch keinen Sinn!
    Fenna beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und sich nicht mehr auf derartige Dummheiten einzulassen. Er schlich sich aus dem Waschhaus wie ein Dieb. Auf dem Hof verspürte er eine große Lust auf die Heilerin Ilintu. Ihre nachvollziehbare Abweisung jedoch würde ihn mehr schmerzen als der erbärmliche Kampf im Waschhaus. So kreiste er ein paarmal wie ein Greifvogel um sich selbst und schlüpfte dann zu Leutnant Gyffs ins abgetrennte Zimmer. Gyffs schnarchte leise. Wenigstens von dort würden keine Fragen kommen.
    Fenna konnte noch lange nicht einschlafen. Die toten, aufgeschichteten Kinder waren nun ihrer Haare beraubt. Hauptmann Gollberg ritt hinaus in eine Feuersbrunst und brachte nichts zurück außer Scapedo und Resea. Yinn Hanitz schrieb mit Blut seinen Namen an die Wand. Die Hand, die sich erhebt, muss herunterkommen. Die Luft zwischen den Wänden wurde stickig wie ein würgender Arm. Ein Gewitter bahnte sich an. Chlayst breitete sich aus. Die Heugabelmänner marschierten von Süden, aus einer Richtung, in der niemand Gefahren vermutet hatte. Ilintu entfernte sich wieder, weil Fenna keine Zeit und Ruhe fand, um nachzufassen. Leutnant Gyffs stellte sich zwischen sie und versperrte die Sicht auf frühere Ziele. Die hohen Klippen links und rechts der Festung hatten tagelang nur wohltuenden Schatten gespendet. Jetzt aber beengten sie die Festung wie etwas, das den Atem raubte. Der Würgearm eines einfachen Soldaten. Fenna spürte erneut, wie ihm die Sinne und das Leben

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