Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
schwanden, aber es war nur der Schlaf, der ihn schließlich doch übermannte.
    Der restliche Sonnenmond erbebte unter Donnern und Blitzen. Sommergewitter suchten den Norden heim und gingen mit Hagelschauern und tiefe Pfützen hinterlassenden Wolkenbrüchen über der Festung Carlyr und der sie umgebenden Landschaft nieder. In den Bergen der Felsenwüste bildeten sich vergängliche Wasserfälle und Rinnsale. Der Boden spiegelte den tobenden Himmel. Alles funkelte und dampfte, wenn die Wolken der Sommersonne wieder ihr Recht einräumten.
    Fenna und Resea begegneten sich täglich, als wäre zwischen ihnen nichts Bedeutsames vorgefallen. Resea schien sich sogar wieder mehr anzustrengen, bei Gyffs’ uderunischem Konditionsprogramm bis zum Schluss jeder Übungseinheit durchzuhalten.
    Behnk verlor weiter an Gewicht. Kertz hielt jetzt seine Augengläser sauberer.
    Hauptmann Gollberg und seine Erste Kompanie ritten zweimal aus und kehrten zweimal regennass mit leeren Händen zurück.
    In der Zweiten Kompanie von Hobock & Sells grassierte ein fiebriger Schnupfen, sodass die Heilerin Ilintu neben Yinn Hanitz noch sechs weitere ihrer zehn Lazarettbetten belegt hatte. Fenna erkundigte sich nach wie vor täglich nach Hanitz. Ein beständiges Auf und Ab, das für Persönlicheres keinen Raum ließ.
    In der Dritten Kompanie steckte sich niemand mit Fieberschnupfen an, auch deshalb nicht, weil Fenna und Gyffs die Regentage nutzen wollten, um das Marschieren unter erschwerten Umständen zu üben. So hielt die Dritte sich nur noch zu den morgendlichen – wenngleich verkürzten – Konditionsübungen in der Festung auf. Danach ging es nach Süden hinaus, entweder zu den von Fenna geleiteten Kampfübungen oder zu ausgedehnten Märschen durch prasselnden Regen und knöcheltiefen Schlick.
    Die Männer wurden graufarben und mürrisch. Selbst ihre Mahlzeiten mussten sie im Regen einnehmen, und verwässerter Kartoffelbrei schlug allen aufs Gemüt.
    Garsid wollte in diesen Tagen mit Leutnant Fenna unter vier Augen sprechen.
    »Also, was gibt es, Soldat Garsid?«
    »Leutnant, es schmeckt mir nicht, von einer Frau herumkommandiert zu werden. In Galliko gibt es so was nicht. Da tun die Weiber ihre Arbeit hinterm Herd und bei den Kindern und mischen sich nicht ins Kriegshandwerk drein, so wie wir ihnen nicht sagen, wie sie den Kindern die Brust zu geben haben. Das ist unnatürlich.«
    »Unnatürlich? Selbst unser König ist eine Frau.«
    »Ja, und? Die erteilt mir doch keine Befehle. Die ist nur ein … Sinnbild, wie eine Galeonsfigur.«
    »Nein, Garsid, da irrst du dich. Die Königin ist die oberste Befehlshaberin der Armee des Kontinents. Alle Generäle tun nur das, was sie anordnet. Du trägst die Uniform der Armee der Königin. Du dienst also einer Frau.«
    »Aber dagegen kann man nichts machen! Was kann ich dafür, dass die Königin ein schönes Weib ist? Soll ich deshalb nicht zur Armee gehen?«
    »Genau das ist die Antwort auf deine Frage: Sollst du deshalb auf irgendetwas verzichten? Warum denn? Wo liegt überhaupt der Unterschied? Wenn Leutnant Gyffs ein Mann wäre – wäre der Regen jetzt weniger nass, deine Kleidung weniger klamm, deine Haut weniger aufgescheuert vom nassen Zeug, dein Magen weniger leer, deine Füße weniger müde? Denk mal ein bisschen nach, bevor du mich mit diesem Unfug belästigst, und jetzt marsch, marsch zurück ins Glied!«
    Fennas Zusammenarbeit mit Gyffs gestaltete sich kompliziert, aber nicht hoffnungslos. Meistens ließ er sie einfach machen. Mit ihrer Prinzipienreiterei und der ihr in Uderun eingebläuten Korrektheit brachte sie ihn so manches Mal zur Weißglut, aber er dachte in den Nächten viel darüber nach und kam zu dem Schluss, dass es sich nicht lohnte, dagegen aufzubegehren. Der Unterschied zwischen einer Akademieoffizierin aus Uderun und ihm selbst war kleiner, als er sich das anfangs eingeredet hatte. Sie hatte noch keine Erfahrung, das war aber auch schon alles. Die soldatischen Regeln jedenfalls beherrschte sie besser als er. Und was war Erfahrung schon wert? Außer den wenigen Überlebenden des Affenmenschenfeldzuges gab es niemanden auf dem Kontinent, der echte Erfahrung in einem Krieg gegen die Affenmenschen besaß. Und da dieser Feldzug eine Katastrophe gewesen war, konnte man dieser Erfahrung keinen besonderen Wert beimessen. Dann gab es einige Offiziere, die Erfahrungen im Kampf gegen Skerber und Wandryer Freibeuter hatten, aber auch dies war ohne Belang für die Lage in der Festung

Weitere Kostenlose Bücher