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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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hatte den Toten nicht erwähnt und keiner der anderen sprach ihn darauf an. Entweder wussten die anderen nichts davon oder sie behielten es für sich. Er würde mit Maxine darüber sprechen, wenn sie wieder aus Nairobi zurück war; vielleicht würde er sogar mit Harry darüber sprechen.
    Jim hatte das Gefühl, jemand versuchte ihm ein Loch in den Kopf zu bohren. Er glitt aus dem Bett und sah sich im Spiegel an. Sein hagerer Körper war drahtig und muskulös, aber er hatte Tränensäcke unter den Augen. Er streckte die Beine. Gymnastik half ihm bei Kopfschmerzen. Er streckte die Arme, den Rücken, den Hals. Vor dem Spiegel absolvierte er eine Art Schattenboxen mit Fäusten, Ellenbogen, Knien, Beinen, dann mischte er das Ganze auf. Es war nicht viel Platz, aber es reichte aus. Erst ein linker Fußstoß, dann ein rechter, dann Kombinationen: linker Jab, rechter Cross, linker Ellbogen, Seitenkick, Knie. Als er nach etwa 20 Minuten leicht außer Atem war, ging er zum nächsten Teil seines morgendlichen Fitnesstrainings über: Liegestütze und Crunches für die Bauchmuskulatur, jeweils hundert. Er fühlte sich bereits wieder besser, sein Kopf war klarer, sein Körper war wieder wach.
    Er musste wieder an den Toten denken. Warum die Warnung? War er bereits aufgeflogen? Sollte er die Mission auf der Stelle abbrechen?
    Er machte sich eben an den Warm-Down, als jemand scharf an die Tür klopfte. Peinlich berührt, hielt er inne. Er war schweißgebadet und keuchte. Es klopfte wieder, diesmal dreimal.
    Verdammt. Er musste aufmachen.
    Er schob den Schreibtisch beiseite, mit dem er die Tür blockiert hatte, und zog sie einen Spalt weit auf.
    Es war Maxine, die ungeduldig mit dem Fuß tappte. Sie drückte gegen die Tür, schlüpfte in das Zimmer und sah ihn von Kopf bis Fuß an. Sie zog eine Braue hoch. Sie zupfte nervös an einer Haarsträhne, wickelte sie dann um einen Finger.
    »Jim, wir müssen reden.«
    »Schon zurück aus Nairobi?«
    Sie sah müde und abgespannt aus, ihre Haut war blass, die Augen blutunterlaufen. Er wies mit einer Hand auf den rostigen Stuhl neben dem Schreibtisch. Sie sank darauf und legte die Hände aneinander. Er setzte sich auf die Bettkante; der Schweiß tropfte ihm von der Stirn auf die Schenkel.
    »Wir müssen reden«, wiederholte sie.
    Er sah sie erwartungsvoll an.
    »Du musst mir versprechen, zu niemandem auch nur ein Wort darüber zu sagen, was neulich Nacht hier passiert ist«, sagte sie.
    »Warum? Wir müssen den Schuldigen finden, oder etwa nicht?«
    »Harry stellt Nachforschungen an. Er will das nicht an die große Glocke gehängt sehen, bis er den Schuldigen hat.«
    Jim starrte Maxine an. Er war verwirrt. Sie faltete die Stirn über den schön geschwungenen Brauen. Ihre Nervosität war schier greifbar.
    »Das ist wirklich ernst, Jim.«
    »Dann sag mir doch, was los ist.« Er lächelte. »Wer denkst du, war das?«
    »Vielleicht die Milizen. Ist genau ihr Stil.«
    »Die Milizen?«
    »Somalische Kriegsherren, die Somaliland zu destabilisieren versuchen. Sie wollen die Wiedervereinigung mit Somalia. Sie bekämpfen einander wie ein Haufen mittelalterlicher Feudalherren. Sie kidnappen Leute aus dem Westen und köpfen sie. Kann sein, dass sie uns infiltriert haben.«
    »Warum ich?«, fragte Jim.
    »Um dir Angst zu machen. Du bist neu hier.«
    »Ich bin doch niemand, ein Funding-Manager für Entwicklungsprogramme.«
    »Vielleicht macht man sich Sorgen darüber, was dir der Tote gesagt haben könnte.«
    Sie sahen einander einige Augenblicke lang an.
    »Was hat er dir gesagt, Jim?«
    »Hab ich doch schon gesagt: dass jemand Hilfe bräuchte und ich keinem trauen sollte.«
    »Und das ist alles?«
    »Das ist alles. Dann verlor er das Bewusstsein.« Jim beugte sich vor. »Was weißt du, Maxine? Da draußen droht einer, mich umzubringen. Harry und du, ihr müsst doch einen Verdacht haben.«
    »Ich geb dir Bescheid, sobald ich mehr weiß.« Sie rutschte nervös auf dem Stuhl herum und sah ihn dann flehentlich an. »Du versprichst mir also, den Mund zu halten?«
    »Vielleicht.«
    »Tu’s für mich.«
    Er zögerte. Er wurde sich plötzlich bewusst, dass er in der Unterwäsche vor ihr saß. Maxine war attraktiv, aber irgendwie machte sie ihn nervös. Sie stand Harry zu nahe.
    »Okay«, sagte er.
    »Bist ein Schatz.« Sie sprang auf und drückte ihm einen Kuss auf die Backe.
    »Bis später.«
    Sie winkte noch mal und ging hinaus. Jim blieb auf der Bettkante sitzen und starrte gegen die verblassende grüne

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