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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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stehen. Steht es wirklich so schlimm?«
    »Es ist schlimm«, sagte Andrew. »Hargeysa ist noch nicht betroffen, aber die Anzeichen sind eindeutig, vor allem in Togdheer und Sool.« Er holte ein Dokument aus seiner Tasche. »Hier ist ein Bericht, den mir Harry gegeben hat. Sagt wohl alles.« Er begann vorzulesen. »Brunnen trocknen aus. Über 40 Prozent der Ferkel und 20 Prozent der Kamele sind tot. Die Produktion von Mais und Sorgho ist kaum der Rede wert. Die akute Unterernährung führt unter anderem zu einem Anstieg von Durchfallerkrankungen, Masern, Keuchhusten etc.«
    »Schon gut, ich hab kapiert.« Jim hob eine Hand. Das reichte. »Und ihr habt das mit eigenen Augen gesehen?«
    Andrew sah ihn verständnislos an. »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ob ihr all das gesehen habt, was Harry in seinem Bericht da schreibt?«
    »Wir haben hungernde Menschen gesehen. Soviel steht fest.«
    »Warum macht das den anderen NROs keine Sorgen?«, fragte Jim.
    »Wir leiten die wichtigsten Lager. Keine der anderen NROs hat Frühwarnsysteme wie wir.«
    »Wird die Sicherheit problematischer?«
    »Es kommt definitiv zu mehr Einfällen somalischer Milizen.« Andrew stockte. »Merkwürdig ist es freilich schon. So unvermittelt wie es dazu gekommen ist. Kein Mensch weiß warum.«
    »Wozu gekommen?«
    »Na, der Hunger, die Angriffe der Milizen. Normalerweise baut sich so etwas auf. Diesmal kam es aus dem Nichts.«
    Jim wandte sich an Fabienne, die ausdruckslos gegen die Wand starrte.
    »Was hast du denn dort so gesehen?«
    Fabienne richtete ihren Blick auf Jim. Ihre Augen hatten den leeren Ausdruck, den er von Dutzenden von Menschen kannte, die eine traumatische Situation hinter sich hatten. Hatte sie ihn überhaupt gehört? Er wollte seine Frage eben wiederholen, als sie, ganz sachte und leise, fast wie zu sich selbst, antwortete: »Wir haben einen Blick in die Hölle geworfen. Und sie ist schlimmer, als ich sie mir je hätte vorstellen wollen.«
    Sie erzählte ihm bis ins Detail, was Andrew und ihr in dem Flüchtlingslager begegnet war, vor allem von dem Berg abgeschlagener Köpfe. Als sie fertig war, herrschte Schweigen. Mit grimmigen Gesichtern saßen sie da.
    »Ich müsste eines der IDP-Camps besuchen«, sagte Jim, nur um das Schweigen zu brechen. »Nicht eines von denen hier in Hargeysa. Eines der anderen.«
    Maxine wollte eben etwas sagen, als Fabienne einsprang: »Kein Problem, wir fahren noch heute los.«
    Maxine schüttelte den Kopf. »Wir haben einen Konvoi verloren, ihr habt ein Massengrab entdeckt, ihr seid grade eben zurückgekommen, und da wollt ihr schon wieder los? Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?«
    »Ich habe jetzt 35 Jahre Erfahrung im Außendienst«, sagte Fabienne und verschränkte die Arme. »Wenn ich was gelernt habe, dann ist das, dass man weitermacht, wenn’s hart auf hart kommt. Diese Leute warten auf unsere Nahrungsmittel. Wir können sie nicht im Stich lassen.«
    »Ich bin dagegen«, sagte Maxine. »Harry hat noch nicht ja gesagt.«
    »Da liegst du falsch.«
    Jim spürte die nächste Auseinandersetzung heraufziehen. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. »Gebt mir Bescheid, wenn ihr euch einig geworden seid. Ich muss jedenfalls ein Lager besuchen. Wie soll ich sonst einen Vorschlag für USAID zusammenstellen? Sagt mir einfach wann und wo.«
    »Wir fahren«, sagte Fabienne mit einem funkelnden Blick für Maxine. »Um 15 Uhr geht es los.«
    Jim ging hinaus, blieb aber stehen, kaum dass er um die Ecke war und damit nicht mehr zu sehen.
    »Was zum Teufel machst du?«, fragte Maxine Fabienne. »Hast du sie nicht mehr alle?«
    »Wieso machst du dir Sorgen?«, sagte Fabienne. »Wir wissen doch, dass Harry etwas im Schilde führt.«
    Ein Stuhl schrammte über den Boden, als jemand sich jählings erhob.
    Fabienne lachte. »
Allez, va-t-en
. Lauf los und sag Harry Bescheid wie ein braves Hündchen. Und lass dich gleich noch mal von ihm ficken, wenn du schon bei ihm bist.«
    »Das wirst du bereuen«, sagte Maxine mit bebender Stimme. »Du hast keine Ahnung, was du da eben gesagt hast.«
    Jim ging zurück ins Büro. Er vergewisserte sich, dass außer ihm niemand in der Nähe war, und schloss seinen Laptop an. Er fand eine E-Mail von Sarah.
    Falscher Mann. Beschreibung passt nicht auf die ihre. Ruf mich heute Abend an.
    Jim lehnte sich zurück. Wer war denn nun der Tote, wenn es nicht der CIA-Agent war? Und die Frage, die sich aufdrängen musste: Lebte der Agent denn dann noch?
    Dann traf eine weitere

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