Die Somalia-Doktrin (German Edition)
E-Mail von Sarah ein.
Hast du Harry schon kennen gelernt? Irgendwelche Fortschritte?
Jim überlegte, ob er antworten sollte. Aber es war besser, keine E-Mail-Spur zu hinterlassen für den Fall, dass die Mission aus dem Ruder lief und alles an die Öffentlichkeit kam.
Er tippte:
Kann heute Abend nicht anrufen. Muss ein IDP-Camp besuchen. Sprechen uns nach meiner Rückkehr.
Er drückte »Send«, packte seinen Computer ein und verließ das Büro.
Als er in sein Zimmer kam, bemerkte er auf dem Schreibtisch das arg mitgenommene Handy, das er bei dem Sterbenden gefunden hatte. Er hatte doch selbst ein Nokia. Und nicht mehr das Jüngste. Er stöberte in seinem Rucksack. Tatsächlich! Womöglich funktionierte sein Akku ja in dem ramponierten Gerät. Er passte. Das Display leuchtete auf.
Er scrollte die Textmessages in der Inbox durch: größtenteils Plaudereien mit Freunden und Kollegen, aber einige fielen Jim auf:
Pass auf dem Rückweg auf. Lieferung in Berbera ok. Sag H brauche $$$.
Es klopfte an der Tür. Jim warf das Telefon in den Rucksack. Den setzte er auf dem Schreibtisch ab.
»Herein.«
Es war Maxine, die zwei kleine Flaschen Wasser mit hatte.
»Sorry wegen des Streits vorhin«, sagte sie.
»Wir stehen derzeit alle unter Stress.«
»Hier, für dich. Es ist heiß draußen.«
Sie reichte ihm die Flasche. Er setzte sie auf dem Schreibtisch ab.
Maxine schürzte die Lippen. »Pass auf, bist du sicher, dass du eines der Lager besuchen willst? Ist eine lange Fahrt.«
»Es würde mir helfen, die Lage für die USAID-Präsentation abzuschätzen.«
Maxine schloss die Tür und lehnte sich dagegen. »Du machst das natürlich auf eigenes Risiko.« Sie trat vor ihn hin und sah, den Kopf geneigt, zu ihm auf.
»Mach dir keine Sorgen um mich«, sagte er. »Wie gesagt, ich habe Schlimmeres hinter mir.«
»Na schön.« Sie trat einen Schritt zurück, setzte sich auf die Bettkante und legte die Beine übereinander. Sie musterte ihre Fingernägel. Es sah fast so aus, als wollte sie ihm etwas sagen. Schließlich nahm sie die Beine wieder auseinander, stand auf und ging wortlos hinaus.
Jim nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Er legte sich auf das Bett, starrte gegen die Decke und überlegte, um was es hier ging. Er musste herausfinden, wer der Tote gewesen war. Harry damit zu konfrontieren, würde nichts bringen. Vielleicht hatten Fabienne oder Andrew den Mann gekannt. Oder es gelang ihm, Maxine kalt zu erwischen. Sie schien ihn attraktiv zu finden; es sei denn, sie tat nur so. Wo oder wer der verschwundene CIA-Agent war, das stand auf einem anderen Blatt. Der Mann lief sicher nicht mit seiner Marke auf der Brust durch die Gegend. Sarah musste ihm eine brauchbare Beschreibung beschaffen.
Jim wurde mit einem Mal schummrig. Er war müde. Er schlief ein, den Kopf voll Leichen, verschwundener Konvois, Undercover-Agenten und hungernder interner Vertriebener in verwüsteten Camps.
Kapitel 10
Hargeysa, Somaliland
18. September 2003
Jim ahnte eine Bewegung neben sich. Er öffnete die Augen und sah Maxine. Sie durchsuchte mit dem Rücken zu ihm seinen Rucksack. Sie musste das Telefon des Toten gefunden haben, da er ein Piepsen hörte und sie einen Augenblick innehielt. Dann hörte er, wie sie den Reißverschluss schloss. Er tat, als schliefe er, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
Er setzte sich verwirrt auf. Er hatte pochende Kopfschmerzen. Sein Mund war wie ausgetrocknet und das Zimmer irgendwie nicht ganz scharf. Es sah ihm gar nicht ähnlich, mitten am Tag einzuschlafen. Er musste ziemlich erschöpft gewesen sein. Wahrscheinlich der Stress der letzten Tage. Er warf einen Blick auf die Uhr: zehn vor drei. Er hatte über eine Stunde geschlafen. Der Konvoi würde jeden Augenblick aufbrechen. Er schluckte zwei Schmerztabletten und ging hinaus.
Im Hof des Hauptquartiers beluden somalische Helfer in blauen Overalls ein halbes Dutzend ehemaliger Militär-Lkw mit großen weißen Lebensmittelsäcken, auf die das Emblem von UA aufgedruckt war. Im Schatten einer der Bäume unterhielt Fabienne sich mit Andrew. Sie rauchte eine Zigarette.
Jim ging hinüber zu Maxine, die nach den Reifen der Lkw sah.
»Was steht denn auf dem Plan?«, fragte er und fuhr sich dabei mit beiden Händen durchs Haar.
Sie zog eine Braue hoch, als wäre sie überrascht, ihn zu sehen. »Wir beladen nur noch die Laster, dann geht es los. Vermutlich zwei Stunden Fahrt vor der ersten Nachtruhe, dann geht es früh morgens weiter. Einige Stunden
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