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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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verletzen Mann. Es musste da eine Verbindung geben. Womöglich hatte der Verletzte zu dem Konvoi gehört? Der Mann musste etwas herausgefunden haben und hatte das mit dem Leben bezahlt.
    Dann war da noch Harry, der seinen Untergebenen eine ganz außergewöhnliche Furcht einflößte und dem Maxine in gefährlichem Maße verfallen war. Was Jim anbelangte, so war es etwas anderes: Ihn machte Harrys unheimliche Ähnlichkeit mit jemand anderem zutiefst nervös.
    Harry, so hatte Sarah ihm gesagt, war ein Macher, während Edward ein Denker war.
    Eine tödliche Kombination.

Kapitel 15
    Distrikt Awdal, Somaliland
20. September
    Zehn Minuten später trat Jim aus der Hütte in die sengende Sonne. Maxine stand neben dem Laster, den Blick in den Außenspiegel gerichtet, und fuhr sich mit der Bürste durchs Haar. Jim kletterte an ihr vorbei auf den Beifahrersitz. Er starrte zum offenen Fenster hinaus auf das Dorf mit seinen Hütten aus Stangen und Lehm. Drei junge Frauen in farbenfrohen somalischen Kleidern verbanden sorgsam das Gestänge für den Rahmen einer neuen mit Bast. Eine von ihnen hatte ein Baby auf dem Rücken. Vier kleine Kinder jagten an ihr vorbei durch den Staub. Eines von ihnen trieb mit einem Stock einen alten Reifen vor sich her, während die anderen ihm den Stock wegzunehmen versuchten.
    Maxine kletterte zur Tür auf der Fahrerseite herein und setzte sich auf den mittleren Platz. Links von ihnen parlierte Nasir hitzig mit dem gebrechlichen alten Mann, der sie die Nacht zuvor empfangen hatte. Er schien ziemlich erregt, so wie er mit der Linken auf seinen Stock gestützt stand und mit der Rechten gestikulierte. Jim war fasziniert vom hageren Gesicht des Mannes, den scharf geschnitten Zügen, der harten Haut und dem Meer von Fältchen, das es überzog. Er trug die traditionelle bestickte runde Kappe der Somali, ein langes braunes Hemd und eine weite karierte Hose. Jim hatte diese Kleidung allenthalben gesehen.
    Nasir gab dem alten Mann die Hand, sagte
nabad gelyo
– auf Wiedersehen – und kletterte hinters Steuer. Der alte Mann kam herangeschlurft. Er steckte eine Hand durch das offene Fenster und griff nach Jims Arm. Jim sah ihm in die müden Augen. Die Falten darum herum schienen für ein Leben voll Leid und Kummer zu stehen. Dann ließ der Mann ihn los und trat einige Schritte zurück. Nasir drehte den Schlüssel im Schloss. Grummelnd kam Leben in den Motor.
    Als sie davonfuhren, eine Wolke aus Staub und Dieseldunst hinter ihnen, sagte Jim: »Worum ging’s denn da eben?«
    »Einer der Dorfältesten. Ziemlich bitter«, sagte Nasir. »Er sagt, dass die Lebensmittelhilfe sie nicht erreicht. Man redet ihnen ein, dass Hilfe kommt, aber sie taucht nie auf. Und wenn doch, dann ignoriert man sie.«
    »Wer ignoriert sie?«
    »Erst neulich kam ein UA-Konvoi vorbei, neun Laster mit unserem Logo. Er ist einfach durchs Dorf gerast. Dabei wurden einige Hütten zerstört und ein Kind überfahren.«
    »Tot?«
    »Der Brustkorb ist eingedrückt.« Nasir schüttelte empört den Kopf. »Man kann nur staunen, dass die uns überhaupt aufgenommen haben.«
    Jim sah Maxine an. »Könnte das der abgängige Konvoi gewesen sein?«
    »Der wurde doch im Distrikt Togdheer entführt«, sagte sie. »Das ist meilenweit weg.«
    Nasir umklammerte das Steuer. »Du weißt genau, was die gemacht haben, Maxine.«
    Maxine warf ihm einen besorgten Blick zu. »Was soll das heißen?«
    »Du weißt genau, was da mit der Verteilung der Lebensmittel läuft.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    Nasirs Knöchel wurden weiß. Jim lehnte sich in den Sitz zurück. Das versprach, interessant zu werden, er mischte sich da besser erst mal nicht ein. Er warf einen Blick nach draußen. Einmal mehr nichts als Sand, Steine und vereinzelt dürres Gestrüpp. Der Himmel über ihnen war von einem klaren und tiefen Blau.
    »Ihr müsst uns doch für blöde halten«, sagte Nasir. »Ihr denkt, wir haben keine Ahnung, was ihr vorhabt.«
    »Ich habe keine Ahnung, was du da redest. Jim, verstehst du, was er meint?« Maxine breitete die Hände aus, als wüsste sie nun wirklich nicht mehr.
    Jim antwortete nicht.
    Nasir sprach weiter und geriet dabei zunehmend in Fahrt. »Der Spendenappell? Die Hungersnot? Harry und du, ihr meint wohl, wir wissen nicht, was da läuft? Glaubst du, ich habe die Karten in seinem Büro nicht gesehen?«
    Maxine legte Nasir eine Hand auf den Arm. Er schüttelte sie ab.
    »Das reicht jetzt«, sagte sie.
    Jetzt schien Jim der Zeitpunkt, sich

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