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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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sich die Schläuche nicht aus den Armen zu ziehen.
    Er blinzelte. Auf einem Stuhl direkt vor ihm, in einem langen schwarzen Mantel, saß Anne Gaillac. Sie war sichtlich gealtert, die Falten auf ihrer Stirn tiefer geworden, ihr weißes Haar kurz geschnitten, aber das vertraute Funkeln in ihren Augen, das war noch da.
    Sie sprach ihn auf Französisch an. »Bonjour, Jerome. Willkommen im Hôpital Salpêtrière. Wie ich sehe, hast du wieder mal ein kleines Problem?« Sie zwinkerte ihm zu.
    Jerome versuchte sich auf die Ellbogen aufzustützen, knickte aber wieder ein und sank ächzend zurück aufs Bett. Sein Kopf schien jeden Augenblick explodieren zu wollen. Trotzdem lächelte er kraftlos. Anne hier zu haben, tat gut.
    »Vor allem wegen einiger Informationen von dir«, stöhnte er. »Und du? Versuchst du immer noch, deine Studenten an der Sciences Po gegen den internationalen Kapitalismus aufzuhetzen?«
    »Habe ich dir nicht gesagt, dass du vorsichtig sein sollst mit diesen NRO-Typen?« Anne massierte ihr Kinn, wie er das hunderte von Malen gesehen hatte. »Die sind gefährlich.«
    Er versuchte wieder zu lächeln, gab aber auf. Ein stechender Schmerz griff nach seinem Magen wie eine Faust.
    »Was haben die bloß mit dir gemacht?«, fragte sie. »Du siehst ja fürchterlich aus.«
    Eine Schwester kam herein, unansehnlich, klein und pummelig mit großer Nase und mehreren Kinns.
    »Magendurchstich«, sagte die Schwester. »Hat fünf Stunden gedauert, den zu flicken. Dazu ein Schädelbruch. Die Ärzte meinen, er könne von Glück reden, dass er noch lebt.« Sie checkte die eine oder andere Kurve auf dem Display.
    »Was sagen sie sonst noch?«, fragte Anne. »Muss er noch mal unters Messer?«
    »Keine Ahnung.« Die Schwester blickte sie gelangweilt an. »Da müssen Sie sie schon selber fragen.«
    Anne funkelte sie an. Die Schwester kapierte und ging.
    »Verdammt«, stöhnte Jerome, »ich wollte doch Morphium.«
    »Was ist passiert?«
    Jerome tat einen tiefen Atemzug. »Dieser UA-Typ, dieser Harry, und seine Gorillas haben mich nach Kibera gelockt und aufgemischt. Sie dachten, die Einheimischen dort würden mir den Rest geben, haben sich aber verrechnet. Einige Kids aus irgendeiner Jugendgruppe sind dazwischen gegangen und haben mich ins Krankenhaus gebracht.«
    »Was ein Glück. Du sprichst von Harry Steeler?«
    »Ja, warum?« Japsend wälzte er sich auf die Seite. »Kannst du die Schwester zurückrufen? Ich brauche wirklich etwas Morphium.«
    Anne trat hinaus auf den Flur und rief. Es kam jedoch niemand, und so ging sie wieder hinein.
    »Ich seh mich nach einer Schwester um«, sagte sie. »Ich muss ohnehin auf die Toilette. Bin gleich wieder da?«
    Jerome starrte an die weiße Wand vor dem Bett. Er hatte wirklich Glück gehabt. Nachdem Harry, Patrick und Maxine ihn auf der Müllkippe hatten liegen lassen, hatte er erwartet, die jungen Leute um ihn herum würden ihn ausrauben und sterben lassen. Er hatte furchtbare Geschichten über Kibera gehört. Es war Afrikas größter Slum, Mord und Vergewaltigung waren an der Tagesordnung. Stattdessen zogen ihm zwei von ihnen die Eisenstange aus dem Bauch und hoben ihn vorsichtig auf. Er hatte das Bewusstsein verloren und war in diesem Raum wieder aufgewacht.
    Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür.
    »Anne, hast du die Schwester gefunden?« fragte Jerome. Keine Antwort, aber jemand kam auf ihn zu.
    »Anne?«
    »Ist nicht Anne«, sagte eine merkwürdig vertraute Stimme. »Ist jemand andres. Jemand, dem du sehr am Herzen liegst.«
    Harrys höhnisches Gesicht füllte Jeromes Blickfeld. Ächzend versuchte Jerome rücklings davonzukommen, aber er war nicht kräftig genug. Er brachte nur die Schläuche durcheinander. Sein Herz raste und sein Mund schien sich mit Talkum zu füllen. Das konnte doch nicht wahr sein. Es musste sich um einen Alptraum handeln. Er schüttelte den Kopf, um aufzuwachen.
    Nichts zu machen.
    Er träumte nicht.
    Wie hatte Harry ihn hier gefunden?
    »Steeler…«, flüsterte er. »Was…«
    Harry beugte sich so dicht über ihn, dass ihn um ein Haar seine Nase berührte. Seine Augen waren eiskalt. Wie die eines Raubtiers. Er roch nach Alkohol und Zigaretten.
    »So, Sablon«, zischte er. »Sieht ganz so aus, als hättest du Schwein gehabt. Diesmal mach ich’s dir nicht so leicht.«
    »Zu spät«, murmelte Jerome. »Ich habe Beweise. Nicht mehr lange und es kommt alles raus.«
    Harrys Gesicht umwölkte sich. »Das glaube ich kaum. Dazu kennen wir dich zu gut. Und

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