Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Mund wurde trocken vor Angst. »Hi! Du bist aber heute früh unterwegs. Wie war die Fahrradtour?«
Madison ließ das Rad ausrollen und bremste neben Dorie. »Schön«, erwiderte sie knapp. »Ich bin gern draußen, bevor die ganzen Touristen auf den Beinen sind und die Straßen verstopfen.«
»Wie geht’s deinem Knöchel?«, fragte Dorie mit Blick auf Madisons Bein. Es war ordentlich verbunden.
»Gut«, sagte Madison und wischte sich einen Schweißtropfen von der Stirn. »Dank dir, der Kühlung und dem Ibuprofen.«
Sie wollte weiterfahren.
Dorie schluckte und überlegte krampfhaft, was sie sagen konnte, um Madison aufzuhalten, damit sie nicht ins Haus ging, wo Julia gerade in ihren Sachen herumwühlte.
»Gefällt dir das Rad?«, erkundigte sich Dorie. Eine dämliche Frage. Wirklich bescheuert, aber was Besseres fiel ihr nicht ein. Konnte sich eine Schwangerschaft dermaßen stark auswirken? Konnte das in ihr wachsende Baby tatsächlich ihre Intelligenz vereinnahmen? Dorie musste an zwei Lehrerinnen von ihrer Schule denken, die einmal über die Dummheiten gelacht hatten, die sie während ihrer Schwangerschaft angestellt hatten. »Schwangerschaftsdemenz« hatten sie es genannt, und Dorie hatte immer gedacht, sie würden übertreiben, doch jetzt wusste sie es besser. Sie war beschränkt, und sie war schwanger, und zwar von einem schwulen Ehemann, was sie quasi als zu dämlich zum Leben auswies.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Madison. »Es war zwar billig, aber es fährt sich ganz gut.«
»Ich hab überlegt, ob ich mir auch eins kaufen soll«, plapperte Dorie weiter. »Bewegung soll ja gut sein, sagen alle. Aber ich glaube, ich bin seit dem College nicht mehr Fahrrad gefahren. Ich wette, ich weiß nicht mal mehr, wie das geht.«
»Aber sicher«, gab Madison zurück. »Es gibt doch diesen Spruch übers Radfahren.«
»Was für einen Spruch?«, fragte Dorie. Sie hatte keinen blassen Schimmer, wirklich nicht. Sie konnte ihrem Kind nur raten, ein großer Wissenschaftler zu werden, denn es hatte bereits jede Hirnzelle von Dorie in Beschlag genommen, die sie je gehabt hatte.
Ungeduldig trat Madison von einem Fuß auf den anderen. »Man sagt doch immer, dies oder das sei so einfach wie Radfahren, weil man das angeblich nie verlernt.« Sie beugte sich vor und musterte Dories Gesichtsausdruck mit gewisser Besorgnis.
»Dorie, ist alles in Ordnung? Du kommst mir heute irgendwie ein bisschen benebelt vor.«
»Die Kolleginnen von der Schule sagen, es hätte etwas mit dem erhöhlten Hormonspiegel zu tun«, erklärte Dorie. »Sharon zum Beispiel. Sie unterrichtet Englisch in den unteren Klassen und war letzten Herbst schwanger. Sharon ließ sich nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal nach der Schule von mir nach Hause bringen, bloß um dann festzustellen, dass sie selbst mit dem Wagen zur Schule gekommen war. Ich konnte wieder umdrehen und sie zur Schule zurückfahren, damit sie ihr Auto holen konnte.«
»Echt verrückt. Na, egal, ist ja nur vorübergehend, oder?«
»Das will ich doch hoffen«, sagte Dorie eindringlich. Madison machte Anstalten, das Fahrrad über die Auffahrt aus Muschelsplitt zu schieben. Dorie lief ihr nach. »Wir machen uns gerade fertig für den Strand. Soll heute ein schöner Tag werden. Nicht zu schwül. Jedenfalls nicht so schwül, wie es immer in Savannah ist, da liegt die Luftfeuchtigkeit nämlich bei ungefähr tausend Prozent. Vielleicht hast du Lust, dich heute mit uns an den Strand zu legen?«
»Später vielleicht.« Madison blieb stehen und sah Dorie an. »Hör zu, ich weiß, dass Julia euch von mir erzählt hat. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Aber ich hatte meine Gründe. Ist sowieso egal, weil ich morgen abreise, aber ich wollte nur, na ja, mich bei euch bedanken. Dass ich hier wohnen durfte. Und so.«
Impulsiv nahm Dorie Madison in die Arme. »Danke«, sagte sie. »An dem Vormittag, als wir uns in diesem Restaurant trafen, ging es mir ziemlich schlecht. Meine Schwester hatte uns im Stich gelassen, ich war total fertig und machte mir Sorgen ums Geld. Wahrscheinlich dachtest du, ich wäre nicht ganz richtig im Kopf, als ich dir ein Zimmer vermieten wollte.«
»Du warst freundlich«, sagte Madison zurückhaltend. »Und ich bin mir sicher, dass Ellis und Julia – besonders Julia – dir ganz schön eingeheizt haben, weil du sie vorher nicht gefragt hast.«
»Sie waren einverstanden, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten«, versicherte Dorie. »Sie sind wirklich
Weitere Kostenlose Bücher