Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
sagte Ellis. »Und dein Vater?«
»Der hat wieder geheiratet«, erklärte Madison. »Eine Frau, die vorher die beste Freundin meiner Mutter war.«
Ellis schaute auf ihre rechte Hand, auf den schmalen, mit winzigen Diamantsplittern besetzten Goldring, den ihr Vater ihr zum dreißigsten Geburtstag geschenkt hatte. Es war das letzte von vielen Geschenken, die ihr Vater ihr im Laufe der Jahre gemacht hatte.
»Hast du ihn denn noch mal gesehen?«
»Wen? Meinen Vater? Nicht oft. Er ist nach Daytona gezogen.«
»Das tut mir leid«, sagte Ellis.
»Ist halt so«, gab Madison zurück, geübt in Gleichgültigkeit.
Ellis wollte das Thema wechseln. »Dein Ring. Du hast uns erzählt, es wäre ein Familienerbstück. Mir ist aufgefallen, dass du ihn nicht mehr trägst.«
»Das ist mein Verlobungsring. Don hat ihn mir geschenkt, kurz bevor wir heirateten. Ich überlege, ob ich ihn beleihe. Willst du ein Angebot abgeben?«
Ellis’ Blick streifte Madisons nackte Hände. »Warum willst du ihn beleihen? Du hast doch so viel Geld.«
»Das rühre ich nicht an«, erklärte Madison. »Ich wusste ja nicht mal, dass ich es dabei hatte, erst als ich meinen Laptop herausholen wollte und merkte, dass ich aus Versehen den von Don mitgenommen hatte.«
»Und das Geld war in seiner Laptoptasche? Darf ich fragen, wie viel es ist?«
Madison zuckte mit den Schultern. »Knapp hunderttausend Dollar.«
»Wirklich?« Ellis bekam große Augen.
»Es ist Geld, das Don gestohlen hat. Und ich weiß, dass er noch mehr hat. Millionen. Er glaubt wahrscheinlich, dass ich es absichtlich mitgenommen habe. Verstehst du jetzt, warum ich solche Panik bekam, als ich hörte, dass Julia mit ihm gesprochen hat? Was ist, wenn er mich findet?«
»Meinst du, er würde dir was antun? Um an das Geld zu gelangen?«
»Vor ein paar Monaten hätte ich noch nein gesagt. Aber heute: ganz bestimmt. Don geht’s nicht nur ums Geld. Es geht ihm um Kontrolle. Um Besitz.«
Ellis schaute auf ihre Hände, dann aus dem Fenster und dachte an ihre eigene kurze Ehe mit dem plötzlichen, gefühllosen Ende. Damals war es so schmerzhaft gewesen, aber im Vergleich zu dem, was Madison durchmachte, war Bens Art vielleicht doch vorzuziehen.
»Ähm … hattest du schon vorher Probleme mit Don?«, fragte sie.
»Allerdings«, antwortete Madison säuerlich. »Wenn du damit meinst, dass er mit einer anderen geschlafen hat und ich ins Gästezimmer umgezogen bin.«
»Oh«, machte Ellis.
»Weiß gar nicht, warum ich mich darüber gewundert habe«, Madison schüttelte den Kopf, als wäre es ihr wirklich egal. »Er hat seine Exfrau mit mir betrogen, warum sollte er mich nicht mit einer anderen betrügen?«
»Irgendeine Ahnung, wer es ist?«
Madison griff in eine offene Schublade, knüllte einige Shirts zusammen und warf sie in die Reisetasche. »Sogar eine ganz genaue Ahnung.«
Da sie nun begonnen hatte, mit Ellis zu sprechen, war es so, als hätte sie einen Hahn aufgedreht, den sie nicht wieder schließen konnte. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.
»Tara Powers! Wir haben zusammen bei der Versicherung gearbeitet. Wir waren nicht befreundet oder so – aber sie wusste genau, dass Don mit mir verheiratet ist.«
Ellis musste immer wieder an das Geld denken. »Hunderttausend Dollar. Glaubst du, er wollte es ihr geben?«
»Mit Sicherheit nicht«, sagte Madison schnell. »Das ist nicht sein Stil. Don hält die Frauen an kurzer Leine.«
»Was hatte er dann mit so viel Geld vor?«, hakte Ellis nach.
»Interessiert mich nicht mehr«, sagte Madison. »Morgen bin ich hier raus. Ich bin heute nur noch da, weil Adam mich darum gebeten hat. Er meint, er könnte mich noch irgendwie aufhalten.«
»Adam? Ist das der Kollege von der Versicherung?«, fragte Ellis, erneut neugierig geworden. »Kommt er hierher? Nach Nag’s Head?«
»Er müsste schon die halbe Strecke hinter sich haben«, sagte Madison. »Er ist ein bisschen komisch, aber auf wirklich liebe Art.«
»Ihr beide habt zusammen gearbeitet?«
»Ja. Er hat seine Stelle immer noch. Er war grad im Urlaub, hat aber noch einen Tag frei. Da hat er mir angeboten, vorbeizukommen.«
»Hast du ihm erzählt, was passiert ist?«, fragte Ellis erstaunt.
»Das meiste«, gab Madison zu. »Er war im Urlaub, als ich abgehauen bin. Ich habe ständig versucht, ihm SMS zu schicken, aber er hat sich erst gestern Abend zurückgemeldet. Es ist unglaublich – er meint tatsächlich, ich soll zurück nach Jersey fahren und in aller Ruhe die
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