Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
persönliche Wendung, fand Ellis. Sie kämpfte gegen den Drang, einfach aufzustehen und zu gehen. Ty Bazemore hatte ihr gerade gesagt, dass ihm ihr schwarzer Badeanzug gefiel. Sie sollte sitzen bleiben und flirten. Oder wusste sie nicht mehr, wie das ging?
Er betrachtete sie eingehend. Wieder überkam Ellis die Angst. Sie gähnte laut und stand auf.
»Schlafenszeit«, sagte sie. »Also, gute Nacht.«
»Jetzt schon?«, fragte Ty und erhob sich lässig. »Warum so eilig?«
»Ich hab’s nicht eilig«, gab Ellis zurück und trat auf den Holzsteg in Richtung Haus. »Es war ein langer Tag, und ich bin müde, das ist alles.«
»Ich hab dir Angst gemacht mit dem Kompliment, was?«, rief er. »Komisch, ich hab dich nicht für einen Feigling gehalten.«
Ellis blieb auf der Stelle stehen. Feigling? Wer nannte sie einen Feigling?
Sie marschierte zurück zur Aussichtsplattform und blieb nur wenige Zentimeter vor ihm stehen. »Das nimmst du zurück«, sagte sie mit geballten Fäusten. »Als ich zehn war, habe ich im Garten eine Klapperschlange mit einer Schaufel erschlagen. Mein Vater stand direkt daneben, aber er hatte panische Angst vor Schlangen. Als er sah, was ich getan hatte, musste er sich übergeben. Ich war das einzige Mädchen in unserer Gegend, das im Schwimmbad rückwärts vom Sprungbrett sprang. Ich war Quarterback in unserer gemischten Footballmannschaft am College, und als ich mir die Nase gebrochen habe, hab ich gleich am nächsten Tag weitergespielt. Ich bin kein Feigling.«
Das alles stimmte – nur das mit dem Turmspringen nicht. Aber das konnte der Typ ja nicht wissen.
»Du hast aber Angst vor mir«, sagte Ty und sah ihr in die Augen.
»Hab ich nicht.«
»Beweis es!«
Sie kniff die Augen zusammen. »Wie?«
»So zum Beispiel«, sagte er, zog Ellis an sich und schlang die Arme um ihre Taille. Seine Lippen waren nur Zentimeter von ihren entfernt, ihre Lider halb geschlossen. »Du hast Angst, mich zu küssen«, neckte er sie, und sein Mund streifte sanft ihren.
»Hab ich nicht«, sagte sie und atmete durch.
»Beweis es!«
Ellis seufzte ungeduldig, legte die Arme um seinen Hals, neigte ihr Gesicht und küsste ihn zärtlich. Ihre vollen Lippen waren verheißungsvoll warm. Vorsichtig zog Ty sie näher an sich, betastete den weichen Stoff ihrer Shorts. Mit der Zunge schob er ihre Lippen auseinander. Sie sank an seine Brust. Nur kurz. Dann wand sie sich ohne Vorwarnung aus seiner Umarmung.
»Wie gesagt – ich bin kein Feigling«, sagte sie, und dann huschte Ellis Sullivan in ihren kurzen Shorts mit den aufgedruckten fliegenden Törtchen im hellen Mondschein über den Holzsteg. Ty folgte ihr langsam, und als er auf seiner Dachterrasse angekommen war, schaute er nach Ebbtide hinüber und sah gerade noch, wie das vorletzte Licht im Haus erlosch.
18
Julia war schon fast eingeschlafen, als sie hörte, wie ihr Handy auf dem klapprigen Holztisch neben ihrem Bett vibrierte. Im Dunkeln tastete sie danach und seufzte, als sie das Display sah.
»Hi«, sagte sie und setzte sich auf.
»Hi, Süße«, sagte Booker leise. »Fehle ich dir?«
»Jaaa«, sagte sie langsam und musste lächeln, als sie ihn in Gedanken vor sich sah. Er saß bestimmt in seiner grauen Lieblingstrainingshose und in dem ausgebleichten T-Shirt auf dem Sofa. Sein drahtiges, graumeliertes Haar stand in alle Richtungen ab, weil er mit den Fingern hindurchfuhr, wenn er Langeweile hatte, und seine Hornbrille war ihm die Nase runtergerutscht. Höchstwahrscheinlich hatte er sein Lieblingsgetränk auf dem Tisch stehen: Dr-Pepper-Limonade. »Ja, ich vermisse dich wirklich.«
Julia Capelli war neunzehn gewesen und hatte gerade das College abgebrochen, um ein Jahr in Europa herumzureisen und wann immer möglich als Model zu arbeiten, als sie Booker Calloway in einem heruntergekommenen Pub in Brighton kennenlernte.
Er war Modefotograf, und sie war für ein billiges Shooting für einen Teenie-Katalog gebucht. Sie hatte mit zwei der anderen Mädchen etwas getrunken, und Booker war an ihren Tisch gekommen, hatte ihnen eine Runde ausgegeben und mit Geenie geflirtet, der vollbusigen Rothaarigen. Er war damals schon dreißig und supersexy mit seinen langen dunklen Haaren, den grünbraunen, golden schimmernden Augen und der Nikon, die er stets vor der Brust trug. Booker war ein überzeugter Amerikaner im Ausland, aufgewachsen in Kalifornien, der schwor, nie wieder nach Amerika zurückzukehren.
An jenem Abend ignorierte Booker Julia völlig, doch am
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