Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
WLAN hatte.
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Maryn nahm den schwarzen Lederkoffer und hob ihn aufs Bett. Zum ersten Mal wunderte sie sich, wie schwer er war. Don war verrückt nach technischen Spielereien, im Frühjahr hatte er für sie beide die neusten ultradünnen MacBooks gekauft. Maryn nutzte ihres fast nur für Onlinespiele oder zum Einkaufen. Mit gerunzelter Stirn zog sie den Reißverschluss auf und wollte den Computer herausziehen. Stattdessen schloss sich ihre Hand um ein dickes Bündel Papier, das von einem grünen Gummiband zusammengehalten wurde.
Doch es war nicht nur Papier. Es war Geld. Maryn hielt ein mehrere Zentimeter dickes Bündel Banknoten in der Hand. Mit zitternden Fingern ging sie es durch. Alles Hundert-Dollar-Scheine. Sie nahm den Koffer und leerte den Inhalt auf ihrem Bett aus. Das MacBook rutschte heraus, dazu neun weitere identische Geldbündel.
Maryn starrte das Geld an, dann den Laptop. Ihrer war leuchtend rosa. Dieser hier war weiß. In ihrer Hast hatte sie Dons Laptoptasche mitgenommen. Und seinen Computer. Und sein Geld.
So viel Geld. Tausende Dollar. Wahrscheinlich Hunderttausende. Mit zitternden Händen griff Maryn zu einem Bündel. Woher stammte das ganze Geld? Es war zu viel für einen Gewinn in Las Vegas. Was machte Don mit so viel Bargeld? Und was würde er tun, wenn er herausfand, dass es – genau wie Maryn – fort war?
Plötzlich klopfte es vorsichtig an der Zimmertür. Maryn hatte das Gefühl, das Herz würde ihr aus dem Leib springen.
»Madison?«
Das war Dorie, die rotblonde Frau, die sich mit ihr im Restaurant angefreundet hatte.
»Ja?«, brachte sie heraus.
»Ich will dich nicht stören, aber heute ist Sonntag, und draußen regnet es Bindfäden, deshalb haben wir überlegt, einen richtig altmodischen Brunch zu veranstalten. Julia macht Waffeln und Speck, ich habe einen Obstsalat vorbereitet, dazu gibt’s Mimosas. Komm doch dazu! Seit du hier wohnst, haben wir dich so gut wie gar nicht gesehen.«
Der Geruch von Frühstücksspeck und Kaffee zog hoch bis in den zweiten Stock. Maryns Magen knurrte. Seit dem Mittagessen am Vortag hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Sie blickte auf den Stapel Geld auf ihrem Bett, dann hinüber zur Tür. Die ganze Woche war es ihr gelungen, den Frauen aus dem Weg zu gehen, abgesehen von wenigen kurzen, verlegenen Begegnungen, wenn sie mit dem Fahrrad losfuhr oder zurückkam. Jetzt regnete es draußen, mit dem Fahrrad konnte Maryn sich heute also kaum verdrücken. Wieder knurrte ihr Magen. Sie hatte lange genug wie ein Einsiedler gelebt. Ein gemeinsames Essen wäre schon in Ordnung. Hastig begann sie, das Geld zurück in den Koffer zu stopfen. Sie wollte sich später überlegen, was sie damit machen würde.
»Hört sich gut an«, sagte sie schließlich. »Ich muss mir nur noch was anziehen, dann komme ich runter.«
»Sie kommt runter«, richtete Dorie den beiden anderen aus. »Seht ihr, ich hab ja gesagt, wir sollen sie fragen.«
»Yippie yeah«, sagte Julia sarkastisch. Sie verbeugte sich und bewegte den Pfannenheber so vornehm, als sei er ein Szepter. »Wir bekommen doch noch eine Audienz bei der Königin.« Sie machte einen Hofknicks. »Guten Tag, Ihre Majestät.«
»Leise, sonst hört sie dich noch«, sagte Dorie. »Wartet’s ab. Sie ist gar nicht arrogant. Sie ist nur … introvertiert, glaube ich.«
Julia trommelte mit den Fingerspitzen auf den Holztisch. »Ich kaufe ihr nicht ab, dass sie in einer Übergangsphase ist nach der Trennung von irgendeinem Typen. Was tut sie hier wirklich? Geld ist ja offensichtlich kein Thema, warum hängt sie dann in so einem winzigen Küstenort rum? Warum ist sie nicht in irgendeiner schicken Stadt? Warum hat sie keine Freunde oder Verwandten? Sie schließt ihre Zimmertür ab, sobald sie rausgeht. Das weiß ich, weil ich nachgeguckt habe. Und sie hat ihren Wagen nicht mehr benutzt, seit sie ihn in die Garage gestellt hat. Ich sage euch, sie versteckt sich vor irgendwas oder irgendwem, und ich habe vor, das herauszufinden.«
»Sie ist schon geheimnisvoll«, stimmte Ellis zu. Sie ließ den Korken der Sektflasche herausploppen und schenkte das Getränk in die Plastikgläser, die sie inzwischen gekauft hatten. Dorie legte die Hand über ihr Glas. »Ich bitte nicht, ja?«
»Klar«, sagte Ellis. »Aber Orangensaft ist gut für dich. Kaffee allerdings nicht, oder?«
»Nee«, sagte Dorie kopfschüttelnd. »Koffein ist nicht gut fürs Baby, leider. Der Kaffee fehlt mir
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