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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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der Musik eine Form geben kann, damit sie in meiner Welt real sein kann. Damit die Menschen sie kennenlernen. Diesmal eilte sie bei Vollmond nach Hause und äußerte kein einziges Wort des Protestes, als John Papas ihr erklärte, sie hätte die gesamte Harmonielehre nicht begriffen, die er ihr aufgeschrieben hatte. Sie setzte sich an seinen Schreibtisch und wiederholte die Übung sofort und fehlerfrei. John Papas faßte ihr an die Stirn, nur halb im Scherz.
    »Sieht bald nach etwas aus«, sagte er eines Nachmittags, als er auf einer alten Klarinette durchspielte, was sie bis dahin aufgeschrieben hatte. »Welche Form genau, kann ich dir nicht sagen, aber irgendwas auf jeden Fall. Vielleicht nennen wir es Die Sonate des Einhorns, was meinst du?« Joey sagte, sie habe nichts dagegen einzuwenden.
    Freunde von John Papas tauchten im Musikladen auf: stille Männer und Frauen, die wenig sagten, die jedoch mit einer solchen Intensität lauschten, wenn Joey spielte, daß sie selbst ganz unruhig und wortkarg wurde, obwohl ihre Augen groß und ihre Mienen benebelt und verzückt waren. John Papas erklärte ihr später, daß keiner von ihnen jemals solche Musik gehört hätte, und niemand wüßte, was man danach zu ihr sagen sollte. »Du erschreckst sie, verstehst du? Das sind Leute, hör zu, die spielen überall in der Welt auf ihren Stradivari und ihren Bösendorfern, für Könige, Königinnen, Filmstars, und sie haben Angst, sie haben solche Angst, mit Josephine Angelina Rivera zu sprechen, die auf die Ridgecrest Junior High geht. Wie findest du das, hm, Kindchen? Vielleicht arbeitest du jetzt noch etwas härter an den Inversionen, was?« Sein Schnauzbart ungepflegt, das Haar seit Tagen ungekämmt, war er vor Stolz ganz aufgelöst.
    Indigo erschien zweimal in diesem Sommer. Jedesmal trug er das silberblaue Horn bei sich, und jedesmal lehnte er sich elegant gegen die Ladentheke, hob das Horn an die Lippen und holte die Nächte und die Dämmerungen in SheiVah in den muffigen, kleinen Laden, spielte sowohl den Ältesten als auch den Criyaqui, bis selbst die Spinnweben in den Ecken, die Joey nie erreichen konnte, vor Mondlicht glitzerten, und Joey hämmerte vor Enttäuschung auf die Klaviertasten ein. Jedesmal hatte John Papas irgendwie mehr Gold angesammelt, das er ihm bieten konnte – nicht nur Münzen, sondern auch Schmuck und sogar reines Metall-, doch jedesmal verkündete Indigo hochmütig, es sei ihm zu wenig, obwohl Joey seine Unentschlossenheit tief in ihrem Inneren spüren konnte, dort, wo sie auch das Lachen der Bach-Jalla spürte.
    Einmal, als John Papas gerade nicht in Hörweite war, fragte sie ihn: »Du willst es doch gar nicht verkaufen, oder? Du kokettierst nur damit, du weißt, daß du eines Tages wieder nach Hause willst. Wozu spielst du dieses Spiel?«
    Indigo antwortete ihr mit einigem Erstaunen: »Was interessiert es dich, Außerweltliche? Shei’rah ist nicht deine Heimat, und seine Bewohner sind nicht wie du, so sehr du dich auch bemühst. Warum sollte es dich interessieren?«
    »Weil ich dort viel mehr Freunde habe als hier«, gab Joey zurück. »Weil es mir mehr fehlt als dieses Land hier. Deshalb ist es mein Zuhause … eigentlich.«
    Indigo grinste sie verbittert an, schüttelte seinen hübschen Kopf.
    »Dann sollte diese, eure Welt mein Zuhause sein, aber das ist sie nicht und wird sie auch nie sein. Shei’rah bleibt meine Heimat, auch wenn ich es schließlich für immer verlassen haben werde. Und trotzdem ziehe ich es vor, hier zu leben. Wenn ich angemessen für das bezahlt werde, was ich aufgebe.«
    Der Sonntagabend, bevor die Schule wieder begann, brachte außerdem die letzte Nacht vor Neumond. Joey überlegte kurz, ob sie Abuelita an einem anderen Tag besuchen sollte, aber feste Gewohnheiten waren ihrer Großmutter inzwischen ungemein wichtig. »Sie sind alles, was ich noch habe, Fina«, hatte sie einmal zu Joey gesagt. »Leute in meinem Alter… die ninos, die Kinder, sind weg, die Freunde sind weg, der Körper ist schon auf dem Weg. Was bleibt einem anderes als das, was man gerne tut? Wenn ich meine albernen, alten Gewohnheiten nicht hätte, wüßte ich nicht mehr, wer ich bin, verstehst du das?«
    Joey plante den Tag sehr genau. Der Mond würde am späten Nachmittag aufgehen: Wenn sie die richtigen Busse bekam, konnte sie noch früh genug zum Abendessen wieder da sein. Obwohl ihre Familie sie weder vermissen noch bemerken würde, wie weit sie von ihnen weg gewesen war, entdeckte sie doch zu

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