Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
ein altes externes USB -Diskettenlaufwerk auf eBay kaufen. Es kostete drei Dollar plus fünf Dollar Porto, und es fühlte sich komisch an, so ein Ding in meinen Laptop zu stöpseln.
Aber jetzt stehen mir die Daten zur Verfügung, und ich bin schon dabei, mein Modell der Buchhandlung zu konstruieren. Es befindet sich noch im Rohbau – bis jetzt nur ein paar graue Blöcke, die wie virtuelle Legosteine ineinandergesteckt sind –, aber man kann allmählich etwas erkennen. Der Rahmen hat passenderweise die Form eines Schuhkartons, und alle Regale stehen schon. Ich habe sie mit einem Koordinatensystem ausgestattet, darum ist mein Code in der Lage, Reihe 3, Regal 13 ganz von selbst zu finden. Simuliertes Licht, das aus simulierten Fenstern hereinfällt, lässt in dem simulierten Laden markante Schatten entstehen. Wen das jetzt beeindruckt, der ist über dreißig.
Ich musste drei Nächte herumprobieren, aber inzwischen reihe ich lange Codes aneinander und lerne beim Arbeiten dazu. Es ist ein schönes Gefühl, etwas zu kreieren: eine einigermaßen überzeugende polygonale Nachbildung von Pen umbras Laden dreht sich langsam auf meinem Bildschirm, und zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch von NewBagel bin ich richtig glücklich. Das neue Album einer coolen Band aus San Francisco namens Moon Suicide dringt durch die Lautsprecher meines Laptops, und gerade will ich die Datenbank kopieren –
Das Glöckchen klingelt, und ich drücke hastig die »Mute«- Taste meines Laptops. Moon Suicide verstummt, und als ich wieder aufschaue, blicke ich in ein unbekanntes Gesicht. Nor malerweise kann ich immer gleich sagen, ob ich es mit einem Mitglied des schrägsten Buchklubs der Welt oder mit einem normalen Menschen zu tun habe, der sich zu später Stunde hierher verirrt hat und sich nur mal umsehen will. Aber bei diesem ist mein Spinnensinn blockiert.
Der Kunde ist klein, aber kräftig, gefangen in der gnadenlosen Unendlichkeit der mittleren Jahre. Er trägt einen schiefergrauen Anzug und ein weißes Button-down-Hemd mit offenem Kragen. All das würde Normalität signalisieren, wäre da nicht das Gesicht: Es ist gespenstisch bleich, und es sitzen ein schwarzer Stoppelbart und Augen wie dunkle Bleistiftspitzen darin. Außerdem trägt der Mann ein Paket unter dem Arm, das ordentlich in braunes Packpapier eingeschlagen ist.
Er geht schnurstracks auf die vorderen Regale zu, nicht zu den Ladenhütern, also ist er vielleicht doch ein normaler Kunde. Vielleicht kommt er ja von Booty’s nebenan. Ich frage: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Was soll das denn hier? Was hat das zu bedeuten?«, keift er und funkelt böse die kleinen Regale an.
»Ja, ich weiß, sieht nicht nach besonders viel aus«, sage ich. Ich würde ihm gern ein paar von den versteckten Perlen in Penumbras winzigem Sortiment zeigen, aber er schneidet mir das Wort ab:
»Machen Sie Witze? Nicht viel?« Er knallt sein Paket auf den Tresen – zack – und stapft zum S CIENCE - F ICTION UND F ANTASY -Regal. »Was hat das hier zu suchen?« Er hält Penumbras einziges Exemplar von Per Anhalter durch die Galaxis hoch. »Und das? Wollen Sie mich verscheißern?« Er zeigt mir Fremde in einem fremden Land .
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, weil ich nicht weiß, was los ist.
Er stolziert zurück zum Schreibtisch, immer noch mit den beiden Büchern in der Hand. Er klatscht sie auf das Holz. »Wer sind Sie überhaupt?« Seine dunklen Augen blitzen mich herausfordernd an.
»Ich bin der Typ, der den Laden schmeißt«, sage ich so ungerührt, wie ich kann. »Möchten Sie die kaufen, oder was?«
Seine Nasenflügel beben. »Sie schmeißen nicht den Laden. Sie sind ja nicht einmal Novize.«
Aua. Stimmt, ich arbeite erst seit knapp über einem Monat hier, aber trotzdem, so viel gehört nun auch nicht dazu –
»Und wahrscheinlich haben Sie auch keine Ahnung, wer den Laden hier wirklich schmeißt, oder?«, fährt er fort. »Hat Penumbra Ihnen das gesagt?«
Ich schweige. Er ist definitiv kein normaler Kunde.
»Nein.« Er schnaubt verächtlich. »Tja, hat er wohl nicht. Also, vor über einem Jahr haben wir Ihrem Boss aufgetragen, dass er diesen Mist hier rauswerfen soll.« Zur Betonung tippt er bei jedem Wort auf den Anhalter . Die untersten Manschettenknöpfe an seiner Anzugjacke sind geöffnet. »Und nicht zum ersten Mal.«
»Hören Sie, ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.« Ich werde ruhig bleiben. Ich werde höflich bleiben. »Also, was ist nun, wollen Sie die
Weitere Kostenlose Bücher