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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Der stille Beobachter. Perfekt. Oder er ist Teil irgendeiner dunkleren Verschwörung. Vielleicht habe ich nur an der Oberfläche gekratzt. Ich weiß jetzt, es gibt weitere Buchhandlungen – Bibliotheken? – dieser Art, aber ich weiß immer noch nicht, was »dieser Art« bedeutet. Ich weiß nicht, welchen Zweck die Ladenhüter erfüllen.
    Ich blättere das Logbuch von Anfang bis Ende durch, auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, egal welchem. Eine Botschaft aus der Vergangenheit vielleicht: Hüte dich, braver Verkäufer, vor Corvinas Zorn. Aber nein, nichts. Meine Vorgänger waren genauso geradeheraus wie ich.
    Ihre Prosa ist schlicht und sachlich, ihre Eintragungen beschreiben lediglich das Kommen und Gehen von Mitgliedern. Manche erkenne ich wieder: Tyndall, Lapin und die anderen. Manche sagen mir gar nichts – Mitglieder, die nur am Tag kommen, oder solche, die schon vor Ewigkeiten ihre Besuche einstellten.
    Den über die Seiten verteilten Datumsangaben ist zu entnehmen, dass das Buch einen Zeitraum von etwas mehr als fünf Jahren umfasst. Es ist erst zur Hälfte beschrieben. Werde ich die nächsten fünf Jahre füllen? Werde ich das Logbuch pflichtbewusst über die Jahre führen, ohne den Hauch einer Ahnung, worüber ich schreibe?
    Mein Gehirn wird noch zu einer Pfütze zusammenschmelzen, wenn ich es mir die ganze Nacht weiter so zermartere. Ich brauche Ablenkung – eine große, herausfordernde Ablenkung. Darum klappe ich meinen Laptop auf und nehme die Arbeit an der 3-D-Buchhandlung wieder auf.
    Alle paar Minuten werfe ich einen Blick auf die Schaufenster und hinaus auf die Straße. Ich halte Ausschau nach Schatten, nach dem Aufblitzen eines grauen Anzugs oder dem Funkeln eines dunklen Auges. Aber nichts passiert. Die Arbeit lindert mein Unbehagen, bis ich schließlich konzentriert bei der Sache bin.
    Wenn ein 3-D-Modell von diesem Laden tatsächlich von Nutzen sein soll, muss es einem wahrscheinlich nicht nur zeigen, wo die Bücher stehen, sondern auch, welche gerade ausgeliehen sind und an wen. Darum habe ich meine Logbucheintragungen der letzten paar Wochen etwas skizzenhaft transkribiert und meinem Modell beigebracht, die Uhr zu lesen.
    Jetzt glühen die Bücher wie Lampen auf den bauklötzchenartigen 3-D-Regalen, und sie sind farbcodiert; das bedeutet, die von Tyndall ausgeliehenen Bücher leuchten blau auf, die von Lapin grün, Fedorovs gelb und so weiter. Das ist ziemlich cool. Aber diese neue Funktion hat auch einen Bug eingebaut, und die Regale verabschieden sich blinkend, wenn ich das Modell auf dem Bildschirm zu weit drehe.
    Ich sitze über den Code gebeugt da und versuche vergeblich herauszukriegen, woran es liegt, als das Glöckchen fröhlich bimmelt.
    Ich stoße einen überraschten Japser aus. Ist Eric zurückgekehrt, um mich noch mal zur Schnecke zu machen? Oder ist es Corvina, der Geschäftsführer persönlich, dessen Zorn mich endgültig heimsuchen –
    Es ist ein Mädchen. Sie lehnt in der Tür, schon halb im Laden, sieht mich an und sagt: »Habt ihr geöffnet?«
    Aber ja, Mädchen mit dem bis zum Kinn reichenden kastanienbraunen Haar und dem roten T-Shirt, auf dem in Senfgelb das Wort BAM! aufgedruckt ist – ja, wir haben geöffnet.
    »Absolut«, sage ich. »Du kannst reinkommen. Wir sind immer offen.«
    »Ich habe gerade auf den Bus gewartet, als mein Handy gesummt hat – ich glaube, ich habe einen Coupon geschickt bekommen?«
    Sie kommt direkt auf den Schreibtisch zu, schiebt mir ihr Handy hin, und da, auf dem kleinen Bildschirm, ist meine Google-Annonce. Die hyperzielgerichtete Anzeigenkampagne in der Nachbarschaft – ich hatte sie ganz vergessen, aber sie läuft noch, und sie hat jemanden erreicht. Der digitale Coupon, den ich entworfen habe, schaut mir aus ihrem zerkratzten Smartphone direkt entgegen. Ihre Fingernägel glänzen.
    »Ja!«, sage ich. »Das ist ein großartiger Coupon. Der beste!« Ich rede zu laut. Gleich wird sie sich wieder umdrehen und gehen. Googles erstaunliche Anzeigenalgorithmen haben mir ein supersüßes Mädchen geliefert, und ich habe keine Ahnung, was ich mit ihr anstellen soll. Sie verdreht den Kopf und lässt den Laden auf sich einwirken. Sie sieht skeptisch aus.
    Der Lauf der Geschichte hängt von so läppischen Dingen ab. Ein um dreißig Grad kleinerer Winkel, und das Ganze würde hier enden. So aber ist mein Laptop ganz aufgeklappt, und auf meinem Bildschirm dreht sich die 3-D-Buchhandlung wild auf zwei Achsen, wie ein Raumschiff, das durch

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