Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Kaffee gerochen.«
Okay, also: »Ich habe mir ein altes Logbuch ausgeliehen, und wir haben es gescannt« – sein Gesichtsausdruck verändert sich wieder; plötzlich sieht er besorgt aus, als hätte ich vielleicht Krebs, anstatt ein Heilmittel dagegen entdeckt zu haben – »weil Google da diese Maschine hat, die superschnell ist, und mit Hadoop geht es einfach – ich meine, tausend Computer, einfach so!« Ich unterstreiche den Satz mit einem Fingerschnipsen. Er hat keine Ahnung, wovon ich rede, glaube ich. »Jedenfalls, was ich sagen will, wir haben einfach die Daten extrahiert. Automatisch.«
In Penumbras Mikromuskeln zittert es. So in nächster Nähe zu ihm wird mir wieder bewusst, dass er tatsächlich sehr, sehr alt ist.
»Google«, haucht er. Es folgt eine lange Pause. »Wie kurios.« Er richtet sich auf. Er hat einen höchst seltsamen Gesichtsausdruck – die emotionale Entsprechung zu ERROR : 404 NOT FOUND . Mehr zu sich selbst sagt er: »Ich werde das melden müssen.«
Moment, wem melden? Der Polizei? Wie einen schweren Diebstahl? »Mr. Penumbra, gibt es ein Problem? Ich verstehe nicht, warum –«
»Oh ja, ich weiß schon«, sagt er scharf, und seine Augen funkeln mich an. »Jetzt verstehe ich. Du hast geschummelt – so darf man es wohl ausdrücken? Und infolgedessen hast du nicht die leiseste Ahnung, was du zustande gebracht hast.«
Ich senke den Blick. So könnte man es ausdrücken.
Als ich wieder zu Penumbra aufschaue, sieht er mich etwas milder an. »Und trotzdem … du hast es geschafft.« Er dreht sich um und schlendert zu den Ladenhütern hinüber. »Wie kurios.«
»Wer ist es?«, frage ich plötzlich. »Wessen Gesicht?«
»Es ist der Gründer«, sagt Penumbra und fährt mit seiner langen Hand an einem Regalbrett entlang. »Der, der wartet und sich versteckt. Seit Jahren plagt er die Novizen. Seit Jahren! Und du hast ihn in – was? Einem einzigen Monat zum Vorschein gebracht?«
Nicht ganz: »In nur einem Tag.«
Penumbra atmet tief ein. Seine Augen funkeln wieder. Sie sind weit aufgerissen und spiegeln das Licht in den Schaufenstern, versprühen in einer Weise elektrisches Blau, wie ich es noch nie bei ihm gesehen habe. Er keucht: »Unglaublich.« Er holt tief Atem, noch tiefer. Er wirkt aufgewühlt und erregt; ehrlich gesagt, er wirkt ein bisschen verrückt. »Ich habe viel zu erledigen«, sagt er. »Ich muss Pläne machen. Geh nach Hause, mein Junge.«
»Aber –«
»Geh nach Hause. Ob du es verstehst oder nicht, du hast heute etwas Wichtiges getan.«
Er kehrt mir den Rücken zu und geht tiefer in die Dunkelheit zwischen den staubigen Regalen hinein, während er leise vor sich hin murmelt. Ich sammle meinen Laptop und meine Kuriertasche ein und schlüpfe zur Ladentür hinaus. Das Glöckchen bimmelt leise, kaum hörbar. Ich schaue noch einmal durch die hohen Schaufenster zurück, und hinter den geschwungenen goldenen Lettern ist Penumbra verschwunden.
WARUM MAGST DU BÜCHER SO GERN?
A ls ich am nächsten Abend wiederkomme, erlebe ich etwas nie Dagewesenes, etwas, was mir den Atem verschlägt und mich vor Schreck erstarren lässt:
Mr. Penumbras Buchhandlung ist dunkel.
Das kann nicht stimmen. Der Laden ist immer geöffnet, immer wach, wie ein kleiner Leuchtturm in diesem sinistren Teil des Broadways. Aber heute ist das Licht aus, und ein kleiner Zettel klebt innen an der Tür. In Penumbras spilleriger Handschrift steht darauf:
GESCHLOSSEN ( BIS AUF WEITERES )
Ich habe keinen Schlüssel zum Laden, weil ich nie einen gebraucht habe. Es war ein fliegender Wechsel – Penumbra übergibt an Oliver, Oliver an mich, ich an Penumbra. Einen Moment lang bin ich wütend, voll selbstgerechtem Zorn. Was soll der Scheiß? Wann ist wieder geöffnet? Hätte man mir nicht eine E-Mail schicken oder mich sonst wie informieren können? Ein ziemlich unverantwortliches Verhalten für einen Arbeitgeber, finde ich.
Aber dann mache ich mir Sorgen. Unsere Begegnung heute Morgen war eindeutig zu viel für ihn. Was, wenn sich Penumbra so aufgeregt hat, dass er einen kleinen Herzanfall bekommen hat? Oder einen schweren Herzinfarkt? Was, wenn er tot ist? Oder er irgendwo sitzt und weint, vielleicht in einer einsamen Wohnung, wo ihn seine Verwandten nie besuchen, weil Opa Penumbra ein bisschen komisch ist und nach alten Büchern müffelt? Eine Welle aus Scham steigt in mir auf und vermischt sich mit meiner Wut, und zusammen ergeben sie eine dicke, wabernde Suppe, von der mir ganz schlecht wird.
Ich
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