Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
und starrt gebannt auf ihr MacBook. Sie erklärt mir die optische Zeichenerkennung OCR , den Prozess, mit dem ein Computer Tintenkleckse und Striche in erkennbare Zeichen umwandelt, wie K, A und T .
»Das ist keine kleine Sache«, sagt sie. »Das war ein dickes Buch.« Auch hatten meine Vorgänger eine Handschrift, die fast so schlimm war wie meine. Aber Kat hat einen Plan. »Mein Computer würde die ganze Nacht brauchen, um diese Seiten zu verarbeiten«, sagt sie. »Aber wir sind ungeduldig, stimmt’s?« Sie tippt mit Beschleunigungsfaktor zehn, erteilt lange Befehle, die ich nicht verstehe. Ja, wir sind definitiv ungeduldig.
»Also werden wir Hunderte von Maschinen dazu bringen, gleichzeitig alles auf einmal zu erledigen. Wir verwenden Hadoop.«
»Hadoop.«
»Jeder verwendet Hadoop. Google, Facebook, der Geheimdienst. Es ist eine Software – sie zerstückelt eine große Aufgabe in viele kleine Fragmente und verteilt sie auf viele verschiedene Computer.«
Hadoop! Wie herrlich das klingt. Kat Potente, du und ich, wir werden einen Sohn haben und ihn Hadoop nennen, und er wird ein großer Krieger sein, ein König!
Sie streckt sich und stützt sich mit den Handflächen auf der Schreibtischplatte ab. »Ich finde das toll.« Ihre Augen sind fest an den Monitor geheftet, wo ein Diagramm erblüht: ein Blumenschema mit einer blinkenden Mitte und Dutzenden – nein, Hunderten – Blütenblättern. Es wächst schnell, verwandelt sich von einem Gänseblümchen in einen Löwenzahn, in eine riesige Sonnenblume. »Tausend Computer machen in diesem Augenblick genau das, was ich will. Mein Verstand ist nicht nur hier«, sagt sie und tippt sich an den Kopf, »sondern da draußen. Ich liebe dieses Gefühl.«
Sie rutscht näher an mich heran. Plötzlich rieche ich alles ganz deutlich; ihr Haar, das frisch gewaschen ist, wühlt sich in mein Gesicht. Ihre Ohrläppchen, rund und rosig, schauen ein wenig hervor, und ihr Rücken ist kräftig von der Kletterwand bei Google. Ich lasse meine Daumen an ihren Schulterblättern hinunterwandern, über die Ausbuchtungen ihrer BH -Träger. Sie bewegt sich wieder, schaukelnd. Ich schiebe ihr T-Shirt hoch, und die zerknautschten Buchstaben spiegeln sich im Laptop-Monitor: BAM!
Später gibt Kats Laptop ein leises Klingeln von sich. Sie rutscht von mir weg, hopst aus dem Bett und klettert wieder auf ihren blauen Schreibtischstuhl. Sie hockt auf den Zehen, und ihr Rücken krümmt sich zu ihrem Computerbildschirm hin, sodass sie wie ein Wasserspeier aussieht. Ein wunderschöner Nackter-Mädchenkörper-Wasserspeier.
»Es hat geklappt«, sagt sie. Sie dreht sich zu mir um, die Wangen gerötet, das dunkle Haar zersaust. »Es hat geklappt!«
Es ist lange nach Mitternacht, und ich bin wieder in der Buch handlung. Das echte Logbuch steht wieder heil in seinem Regal. Das falsche steckt in meiner Tasche. Alles verlief genau nach Plan. Ich bin hellwach, ich fühle mich wohl, und ich bin bereit, zu visualisieren. Ich ziehe die eingescannten Daten aus der Big Box; über bootynet dauert es nicht einmal eine Minute. All die kleinen Geschichten, die jemals in dieses Logbuch gekritzelt wurden, fließen perfekt verarbeitet in meinen Laptop.
Und jetzt, lieber Computer, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem du tust, was ich dir sage.
So was gelingt nie auf Anhieb. Ich gebe den nackten Text in meine Visualisierung ein, und das Ergebnis sieht aus, als hätte Jackson Pollock meinen Prototyp zwischen die Finger bekommen. Überall sind Datenkleckse, rosa, grüne und gelbe Flecken, in den grellen Farben von Spielhallenautomaten.
Als Erstes verändere ich die Farbpalette. Erdtöne, bitte.
Weiter: Das ist mir viel zu viel Information. Ich möchte nur wissen, wer was ausgeliehen hat. Kats Analyse war schlau genug, die Namen und Titel und Zeiten im Text zu verschlagworten, und die Visualisierung weiß, wie sie diese aufspürt, darum verlinke ich Daten mit dem Display und sehe etwas Vertrautes: einen Schwarm bunter Lichter, der durch die Regale hüpft, wobei jedes Licht einen Kunden repräsentiert. Aber hier handelt es sich um Kunden, die diese Buchhandlung schon vor Jahren frequentierten.
Es ist nicht besonders beeindruckend – nichts weiter als ein buntes Durcheinander, das durch die Regale mit den La denhütern wandert. Dann, einer Eingebung folgend, verbinde ich die Punkte, sodass es kein Schwarm mehr ist, sondern eine Gruppe von Konstellationen. Jeder Kunde hinterlässt eine Spur, einen torkelnden Zickzackpfad
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