Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
besucht?«
Tyndalls Gesichtsausdruck belehrt mich eines Besseren. »Er kommt nicht zurück«, sagt er kopfschüttelnd. »Kommt nicht zurück, kommt nicht zurück.«
Das Gemisch in meinem Kopf – mittlerweile überwiegt die Furcht die Neugier – rutscht in meine Magengrube. Ein ausgesprochen blödes Gefühl.
»Habe es von Imbert erfahren, der es von Monsef weiß. Corvina ist wütend. Penumbra wird verbrannt werden. Verbrannt! Das ist mein Ende! Und Ihres auch!« Er zeigt auf Rosemary Lapin. Wieder zittern ihre Wangen.
Ich verstehe das alles überhaupt nicht. »Was soll das heißen, Mr. Penumbra wird verbrannt? «
Tyndall sagt: »Nicht der Mensch, das Buch – sein Buch! Genauso schlimm, sogar schlimmer. Lieber der Körper als das Papier. Sie werden sein Buch verbrennen genauso wie Saunders, Moffat, Don Alejandro, die Feinde des Ungebrochenen Buchrückens. Ihn und Glencoe, und das Schlimmste daran: Er hatte ein Dutzend Novizen! Alle verlassen, verloren.« Er schaut mich aus feuchten, verzweifelten Augen an, dann bricht es aus ihm heraus: »Ich war fast fertig!«
Ich bin hier absolut in eine Sekte hineingeraten.
»Mr. Tyndall«, sage ich rundheraus, »wo ist sie? Wo ist diese Bibliothek?«
Tyndall schüttelt den Kopf. »Weiß nicht. Bin nur Novize. Werde jetzt nie, nie nie … es sei denn.« Er schaut auf. Ein Hoffnungsschimmer liegt in seinen Augen, und er sagt es noch mal: »Könnten Sie notfalls den Laden führen?«
Ich kann vielleicht den Laden nicht führen, aber benutzen kann ich ihn schon. Dank Tyndall weiß ich, dass Penumbra irgendwo in Schwierigkeiten steckt, und ich weiß, dass es meine Schuld ist. Warum, ist mir zwar nicht klar, aber es war eindeutig mein Handeln, das Penumbra verjagt hat, und jetzt mache ich mir wirklich Sorgen um ihn. Diese Sekte scheint es speziell darauf anzulegen, alte Büchernarren hinters Licht zu führen – Scientology für lesehungrige Senioren. Wenn das stimmt, hat sie Penumbra schon fest in der Hand. Also, genug herumgeraten und zusammengereimt: Ich werde Mr. Penumbras Laden durchsuchen und die Antworten auf meine Fragen selbst finden.
Aber dazu muss ich erst einmal hinein.
Es ist mitten am nächsten Tag; ich stehe bibbernd auf dem Broadway und betrachte nachdenklich die Schaufensterscheiben, als plötzlich Oliver Grone neben mir steht. Mann, für so einen großen Kerl hat er sich ganz schön leise angeschlichen.
»Was ist los?«, fragt er.
Ich schaue ihn argwöhnisch an. Was ist, wenn Oliver schon in diese Sekte eingeführt wurde?
»Warum stehst du hier draußen?«, fragt er. »Es ist kalt.«
Nein. Ihm geht es so wie mir: Er ist ein Außenseiter. Aber vielleicht ist er ein Außenseiter mit einem Schlüssel.
Er schüttelt den Kopf. »Die Tür ist nie abgeschlossen. Ich gehe einfach immer rein und übernehme Penumbras Platz, verstehst du?«
Genau, und ich übernehme Olivers. Aber Penumbra ist verschwunden. »Jetzt stehen wir dumm da, hier draußen.«
»Naja. Wir könnten es über die Feuertreppe probieren.«
Zwanzig Minuten später lassen Oliver und ich unsere Klettermuskeln spielen, die auf Penumbras schattigen Regalen ihren Schliff erhalten haben. In einem Eisenwarenladen fünf Ecken weiter haben wir eine Haushaltsleiter gekauft, die jetzt in der schmalen Gasse zwischen der Buchhandlung und dem Stripklub aufgestellt ist.
Ein dünner Barmann von Booty’s ist auch hier hinten; er sitzt auf einem umgedrehten Plastikeimer und saugt an einer Zigarette. Er schaut einmal kurz zu uns herüber und widmet sich dann wieder seinem Handy. Offenbar spielt er Fruit Ninja.
Oliver geht vor, während ich die Leiter halte, und dann klettere ich allein hinter ihm her. Das Ganze ist unbekanntes Terrain für mich. Ich wusste zwar theoretisch, dass diese Gasse existiert und es eine Feuerleiter gibt, aber mir ist immer noch nicht klar, wo die Feuerleiter an Penumbras Laden andockt. Es gibt da hinten einen ganzen Bereich, den ich selten betrete. Jenseits der lichtgetränkten Regale im vorderen Teil und der dunklen Regionen aus Ladenhütern gibt es einen winzigen Pausenraum mit einem winzigen Tisch und einer winzigen Toilette, und dahinter ist nur noch die Tür mit der Aufschrift P RIVAT , die zu Penumbras Büro führt. Ich respektiere diese Mahnung, ebenso wie ich Regel Nummer zwei respektierte (hinsichtlich der Unantastbarkeit der Ladenhüter), zumindest so lange, bis Mat sich einmischte.
»Ja, hinter der Tür ist eine Treppe«, sagt Oliver. »Sie führt nach oben.« Wir
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