Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
gedämpftes Gemurmel, dann deutlicheres Rumoren, dann hallende Stimmen. Die Treppe wird flacher, und vor uns taucht ein hell erleuchteter Rahmen auf. Wir treten hindurch. Kat keucht, und ihr Atem bildet eine kleine Kältewolke.
Das ist keine Bibliothek. Das ist die Bat-Höhle.
Lang und niedrig erstreckt sich der Lesesaal vor unseren Augen. Über die Decke verläuft ein Kreuzmuster aus schweren Holzbalken. In den Zwischenräumen schaut gemasertes Grundgestein hervor, schiefe Flöze und zerklüftete Flächen, in denen irgendwelche Kristalle glitzern. Die Balken spannen sich in einer akkuraten Perspektive über die gesamte Länge der großen Kammer wie ein kartesisches Gitter. Dort, wo sie sich kreuzen, hängen helle Lampen und beleuchten den Bereich unterhalb.
Auch der Boden ist aus Felsgestein, aber blank geschliffen wie Glas. Quadratische Holztische stehen in ordentlichen Reihen bis zum anderen Ende der Kammer, immer zwei nebeneinander. Sie sind schlicht, aber robust, und auf jedem liegt ein einziges dickes Buch. All diese Bücher sind schwarz und mit dicken, ebenfalls schwarzen Ketten an den Tischen befestigt.
Um die Tische herum sitzen oder stehen Leute, Männer und Frauen in schwarzen Roben von der gleichen Art wie Deckles, und reden, palavern, debattieren. Etwa ein Dutzend müssen es hier unten sein, sodass der Eindruck von einem Parketthandel in einer sehr kleinen Börse entsteht. Die Geräusche verschmelzen und überlappen: das Zischen von Sätzen, das Scharren von Füßen. Das Kratzen von Stiften auf Papier, das Quietschen von Kreide auf Schiefertafeln. Husten und Schniefen. Man kommt sich vor wie in einem Klassenzimmer, nur dass die Schüler alle erwachsen sind und ich keine Ahnung habe, was sie hier lernen.
Regale säumen die langen Wände der Kammer. Sie sind aus demselben Holz gezimmert wie die Balken und Tische und mit Büchern gefüllt. Im Gegensatz zu den Bänden auf den Tischen sind diese Bücher bunt: rot und blau und gold, in Stoff und Leder gebunden, manche zerfleddert, manche ordentlich und sauber. Sie schützen vor Klaustrophobie; ohne sie wäre es hier unten wie in einer Katakombe, aber weil sie die Regale bestücken und dem Raum Farbe und Struktur verleihen, ist es hier sogar heimelig und gemütlich.
Neel brummt anerkennend.
»Wofür ist das alles?«, fragt Kat und reibt sich bibbernd die Arme. Die Farben mögen warm sein, aber die Luft ist eiskalt.
»Folgt mir«, sagt Penumbra. Er geht vor uns in den Saal, bahnt sich einen Weg durch die Grüppchen von Schwarzroben, die sich um die Tische drängen. Ich schnappe Gesprächsfetzen auf: »… Das Problem ist Brito«, sagt ein großer Mann mit blondem Bart und sticht mit dem Finger auf das dicke schwarze Buch, das auf dem Tisch liegt, ein. »Er hat darauf bestanden, dass alle Operationen reversibel sein müssen, obwohl ja …« Seine Stimme verliert sich, aber ich empfange eine neue: »… zu sehr auf die Seite als Element der Analyse fixiert. Stellt euch dieses Buch einmal anders vor – es ist eine Aneinanderreihung von Zeichen, korrekt? Es hat nicht zwei Dimensionen, sondern eine. Das bedeutet, dass …« Es ist der Mann mit dem Eulengesicht von heute früh, der mit den drahtigen Augenbrauen. Er ist immer noch gebückt, trägt immer noch seine Pelzmütze, was ihm, zusammen mit seiner Robe, das hundertprozentige Aussehen eines Warlocks verleiht. Er zeichnet dicke Kreidestriche auf eine kleine Schiefertafel.
Penumbras Fuß bleibt an einer Kettenschlinge hängen, die schrill rasselt, als er sie abschüttelt. Er verzieht das Gesicht und brummt: »Lächerlich.«
Wir gehen stumm hinter ihm her, eine kleine Reihe schwar zer Schafe. Die Regale sind nur an einigen Stellen unterbro chen: zweimal durch Türen auf beiden Seiten des langen Raumes und einmal an seinem Ende, wo sie glattem nacktem Fels und einem Holzpodium weichen, das unter einer hellen Lampe errichtet ist. Es ist groß und strahlt Strenge aus. Hier halten sie wahrscheinlich die rituellen Opferzeremonien ab.
Während wir an den Schwarzroben vorbeigehen, schauen ein paar von ihnen auf und stutzen; sie reißen erstaunt die Augen auf. »Penumbra!«, rufen sie erfreut, strecken ihm die Hände entgegen. Penumbra nickt und lächelt zurück und ergreift der Reihe nach jede Hand.
Er führt uns an einen freien Tisch in der Nähe des Podiums, an einen Platz im weichen Halbschatten zwischen zwei Lampen.
»Ihr befindet euch an einem ganz besonderen Ort«, sagt er und lässt sich auf einem
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