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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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poliertem Holz –, den Deckle Penumbra anbietet.
    Neel beugt sich verschwörerisch vor und zeigt mit dem Daumen hinter seine Schulter, hin zum Großraumbüro. »Also ist das da alles nur Tarnung?«
    »Oh, nein, nein«, sagt Deckle. »Die Festina Lente Company ist eine echte Firma. Sogar eine sehr echte. Sie verkauft Lizenzen für die Gerritszoon-Schrift« – Kat, Neel und ich nicken weise, ganz wie eingeweihte Novizen – »und viele andere Schriften. Aber sie macht auch andere Sachen. Das neue E-Book-Projekt zum Beispiel.«
    »Was ist das?«, frage ich. Dieses Unternehmen scheint mir wesentlich mehr Know-how zu besitzen, als Penumbra uns glauben macht.
    »Ich durchschaue es auch nicht ganz«, sagt Deckle, »aber irgendwie spüren wir E-Book-Piraterie für Verlage auf.« Bei diesen Worten blähen sich entrüstet meine Nasenflügel; ich habe Geschichten über Collegestudenten gehört, die auf Millionen von Dollar verklagt wurden. Deckle erläutert: »Es ist ein neuer Geschäftszweig. Corvinas Baby. Offenbar äußerst lukrativ.«
    Penumbra nickt. »Die Existenz unserer Buchhandlung ist der Arbeit dieser Leute da draußen zu verdanken.«
    Na großartig. Ich beziehe mein Gehalt aus Lizenzgebüh ren für Schrifttypen und Gerichtsprozessen gegen Copyright- Verstöße.
    »Edgar, diese drei haben das Rätsel des Gründers gelöst«, sagt Penumbra – Kat und Neel schauen ihn erstaunt an –, »und die Zeit ist reif, dass sie sich den L ESESAAL an schauen.« So, wie er das sagt, kann man die Kapitälchen förmlich mithören.
    Deckle grinst. »Das ist fantastisch. Herzlichen Glück wunsch und willkommen.« Er macht eine Kopfbewegung hin zu einer Reihe von Haken an der Wand; zur Hälfte hängen daran normale Jacketts und Pullis, zur anderen dunkle Roben von der Art, die er selbst trägt. »Als Erstes zieht bitte die da über.«
    Wir legen unsere nassen Jacken ab. Während wir die Roben überstreifen, erklärt Deckle: »Wir müssen da unten auf Sauberkeit achten. Ich weiß, die Dinger sehen bekloppt aus, aber sie sind tatsächlich sehr gut geschnitten. An den Seiten sind Schlitze, damit man Bewegungsfreiheit hat« – Deckle wedelt mit den Armen – »und sie haben Innentaschen für Papier, Bleistift, Lineal und Zirkel.« Er schlägt seine Robe weit auf und zeigt sie uns. »Da unten liegen Schreibutensilien aus, aber ihr müsst euer eigenes Werkzeug mitbringen.«
    Das ist ja geradezu rührend. Vergiss nicht dein Lineal an deinem ersten Tag bei der Sekte! Aber wo ist »da unten«?
    »Und noch was«, sagt Deckle. »Eure Handys.«
    Penumbra zeigt seine leeren Hände und wackelt mit den Fingern, aber wir anderen geben unsere dunklen vibrierenden Begleiter ab. Deckle legt sie in einen flachen Holzkasten auf seinem Schreibtisch. Darin befinden sich bereits drei iPhones sowie ein schwarzes Neo und ein verbeultes beigefarbenes Nokia.
    Deckle steht auf, justiert seine Robe, spannt die Muskeln an und versetzt den Regalen hinter seinem Schreibtisch einen kräftigen Schubs. Sie drehen sich sanft und stumm – ganz als schwebten sie gewichtslos im All –, und während sie auseinanderdriften, offenbaren sie einen in Schatten getauchten Raum, von dem aus sich eine breite Treppe hinunter in die Dunkelheit windet. Mit einer ausholenden Armbewegung lädt Deckle uns ein, hineinzugehen. »Festina lente«, sagt er, wie selbstverständlich.
    Neel schnappt nach Luft, und ich weiß genau, was es bedeutet. Es bedeutet: Mein ganzes Leben habe ich darauf gewartet, durch eine Bücherwand einen Geheimgang zu betreten. Penumbra erhebt sich aus seinem Stuhl, und wir folgen ihm.
    »Sir«, sagt Deckle jenseits der geteilten Regale zu Penum bra, »wenn Sie nachher noch Zeit haben, würde ich Ihnen gern eine Tasse Kaffee spendieren. Es gibt eine Menge zu besprechen.«
    »So soll es sein«, sagt Penumbra und lächelt. Im Vorbeigehen schlägt er Deckle auf die Schulter. »Danke, Edgar.«
    Penumbra führt uns die Treppen hinunter. Er geht vorsichtig, stützt sich auf das Geländer, ein breites Band aus Holz, das auf schweren Metallwinkeln sitzt. Neel hält sich dicht neben ihm, bereit, ihn aufzufangen, falls er stolpert. Die Stufen sind breit und in blassen Stein gehauen; sie bilden scharfe Kurven, eine Spirale, die uns in die Erde hineinführt, spärlich von Bogenlampen in alten Wandnischen beleuchtet, die in weiten Abständen ins Mauerwerk eingelassen sind.
    Während wir Stufe um Stufe tiefer gehen, nehme ich ir gendwann Geräusche wahr. Ein

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