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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Blöcken zusammengeschoben, und an ihnen sitzen die Leute, die ich heute früh durch mein Fernglas gesehen habe. Die meisten tragen Kopfhörer, keiner schaut von seinem Monitor auf. Ein Blick über ein Paar gebeugte Schultern offenbart mir eine Tabellenkalkulation und eine Inbox und eine Facebook-Seite.
    Das verwirrt mich jetzt. Sie scheinen reichlich Computer zu haben.
    Wir bahnen uns einen Weg durch die Arbeitsnischen. Man hat alle Totems der Bürolangeweile aufgestellt: den Kaffeeautomaten, den brummenden Minikühlschrank, den riesigen Mehrzwecklaserdrucker, der rot blinkend P APIERSTAU signalisiert. Ein Whiteboard lässt die verblichenen Spuren mehrerer Generationen von Brainstormings erkennen. Im Moment steht dort in leuchtend blauen Strichen:
    ANHÄNGIGE GERICHTSVERFAHREN: 7!!
    Ich erwarte ständig, dass jemand aufschaut und Notiz von unserer kleinen Prozession nimmt, aber sie scheinen alle in ihre Arbeit vertieft zu sein. Das leise Klappern der Tastaturen klingt genau wie der Regen draußen. Aus einer Ecke weiter hinten tönt Kichern herüber; ich schaue hin und erkenne den Mann im grünen Pulli, der feixend auf seinen Computerbildschirm schaut. Er isst Joghurt aus einem Plastikbecher. Ich glaube, er guckt sich gerade ein Video an.
    Von den Seitenwänden gehen Privatbüros und Konferenzräume ab, alle mit Milchglastür und einem kleinen Namensschild versehen. Dasjenige, auf das wir zusteuern, befindet sich am anderen Ende des Raums, und auf dem Schild steht:
    EDGAR DECKL E / SPEZIALPROJEKTE
    Penumbra umfasst mit seiner dürren Hand den Türknauf, klopft einmal ans Glas und drückt die Tür auf.
    Das Büro ist winzig, aber es unterscheidet sich komplett von der Abteilung, die wir gerade durchquert haben. Meine Augen müssen sich dem neuen Farbschema erst anpassen: Hier sind die Wände dunkel und satt, tapeziert in goldenen und grünen Wirbeln. Hier bilden Holzdielen den Fußboden; sie federn und quietschen unter meinen Schuhen, und Penumbras Absätze klackern leise, als er sich umdreht, um die Tür hinter uns zu schließen. Hier ist auch das Licht anders, weil es aus warmen Lampen fällt, nicht aus Neonröhren an der Decke. Und nachdem die Tür zugezogen ist, verschwindet auch das allgegenwärtige Summen und eine herrliche, tiefe Stille breitet sich aus.
    Ein schwerer Schreibtisch steht da – der perfekte Doppelgänger des Stücks in Penumbras Laden –, und dahinter sitzt der Mann, den ich heute früh zuallererst auf dem Bürgersteig entdeckt habe: Rundnase. Hier trägt er eine schwarze Robe über seiner Straßenkleidung; sie ist locker vor der Brust gerafft und von einer silbernen Schnalle zusammengehalten – zwei Hände, geöffnet wie ein Buch.
    Jetzt wird’s interessant.
    Hier riecht es anders. Es riecht nach Büchern. Hinter dem Schreibtisch, hinter Rundnase, stehen sie dicht gedrängt in Wandregalen, die bis zur Decke reichen. Aber besonders groß ist das Büro nicht. Die Geheimbibliothek des Ungebrochenen Buchrückens scheint etwa das Fassungsvermögen einer kleinen Provinzflughafen-Buchhandlung zu haben.
    Rundnase lächelt.
    »Sir! Willkommen zurück«, sagt er und steht auf. Penumbra hebt die Hände in einer Geste, die seinem Gegenüber bedeutet, sich wieder zu setzen. Rundnase wendet seine Aufmerksamkeit mir, Kat und Neel zu: »Wer sind Ihre Freunde?«
    »Sie sind ungebunden, Edgar«, sagt Penumbra eilig. Er dreht sich zu uns um. »Meine Schüler, das ist Edgar Deckle. Er bewacht die Tür zum Lesesaal seit – wie lange schon, Edgar? Elf Jahren?«
    »Genau elf«, sagt Deckle lächelnd. Mir fällt auf, dass auch wir lächeln. Deckle und sein kleines Zimmer sind die reinste Wohltat nach dem kalten Straßenpflaster und den noch kälteren Arbeitsnischen.
    Penumbra schaut mich an, und freundliche Fältchen bilden sich um seine Augen. »Edgar war früher einmal Verkäufer in San Francisco, genau wie du, mein Junge.«
    Ich verspüre eine leichte Erschütterung – das typische Gefühl, dass alles auf der Welt stärker miteinander verbunden ist, als man erwartet hat. War das Deckles schiefe Handschrift, die ich im Logbuch gelesen habe? Hatte er die Nachtschicht?
    Auch Deckle scheint sich zu freuen, dann sagt er belustigt: »Kleiner Rat: Eines Nachts übermannt dich die Neugier und du fragst dich, ob du nicht mal den Klub nebenan auschecken solltest.« Er macht eine Pause. »Tu’s nicht.«
    Ja, er hatte definitiv die Nachtschicht.
    Vor dem Schreibtisch steht ein Stuhl – mit hoher Lehne, aus

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