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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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und unter der Erde.

DER BUND DER REBELLEN
    I n Manhattan gießt es heftig – eine dunkle, krachende Sintflut. Wir haben uns in das Luxushotel geflüchtet, das Neels Freund Andrei gehört, auch er Manager eines Start-up-Unternehmens. Es heißt Northbridge und ist die ultimative Hackerhöhle: Steckdosen überall im Abstand von einem Meter, die Luft dermaßen mit Wi-Fi vollgepackt, dass man es förmlich greifen kann, und im Keller eine direkte Verbindung zur Internet-Hauptleitung, die unterhalb der Wall Street ver läuft. Fühlte Penumbra sich im Dolphin and Anchor heimisch, dann ist das hier der Ort, an dem sich Neel wie ein Fisch im Wasser bewegt. Der Mann an der Rezeption kennt ihn. Der Hoteldiener begrüßt ihn mit einem High five.
    Die Lobby des Northbridge ist das Zentrum der New Yorker Start-up-Szene: Wo immer zwei oder mehr Leute beisammensitzen, handelt es sich vermutlich um eine neue Firma beim Korrekturlesen ihrer Satzung. So, wie wir gerade an einem niedrigen Tisch aus alten Tonspulendosen die Köpfe zusammenstecken, könnten auch wir als eine durchgehen, schätze ich – nicht unbedingt als Firma, aber zumindest als irgendeine Neugründung. Wir sind ein kleiner Bund aus Rebellen, und Penumbra ist unser Obi-Wan. Wer Corvina ist, wissen wir alle.
    Neel hat sich unablässig über den Ersten Leser aufgeregt, seitdem wir das Gebäude verlassen haben:
    »Und was dieser affige Schnurrbart soll, kapier ich auch nicht«, fährt er fort.
    »Er trug schon einen, als ich ihn kennenlernte«, sagt Penumbra und ringt sich ein Lächeln ab. »Aber damals war er nicht so streng wie heute.«
    »Wie war er dann?«, frage ich.
    »Wie wir anderen auch – wie ich. Er war neugierig. Unsicher – nun, ich bin es ja immer noch! –, über alle möglichen Dinge.«
    »Tja, inzwischen wirkt er ziemlich … selbstbewusst.«
    Penumbra runzelt die Stirn. »Warum auch nicht? Er ist der Erste Leser, und er will unsere Gemeinschaft exakt so erhalten, wie sie ist.« Er boxt mit der schmalen Faust in die weichen Couchpolster. »Er ist unnachgiebig. Er lässt keine Experimente zu. Er lässt es uns nicht einmal versuchen.«
    »Aber bei der Festina Lente Company hatten sie doch Computer«, gebe ich zu bedenken. Tatsächlich haben sie da eine komplette digitale Aufstandsbekämpfung am Laufen.
    Kat nickt. »Ja, sie machen einen ziemlich fortschrittlichen Eindruck.«
    »Ah, aber nur oben«, sagt Penumbra und hebt den Zeigefinger. »Computer sind in Ordnung, solange sie für die welt liche Arbeit der Festina Lente Company im Einsatz sind – aber nicht für den Ungebrochenen Buchrücken. Nein, niemals.«
    »Keine Handys«, sagt Kat.
    »Keine Handys. Keine Computer. Nichts«, sagt Penumbra kopfschüttelnd, »was nicht auch Aldus Manutius zur Verfügung gestanden hätte. Das elektrische Licht – ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Streit es um diese Lampen gab. Zwanzig Jahre hat er gedauert.« Er schnauft verächtlich. »Ich bin mir ziemlich sicher, Manutius hätte sich über die eine oder andere Glühbirne gefreut.«
    Wir schweigen nachdenklich.
    Schließlich sagt Neel: »Mr. P, Sie müssen nicht aufgeben. Ich könnte Ihren Laden sponsern.«
    »Lassen wir den Laden Laden sein«, sagt Penumbra und winkt ab. »Ich mag unsere Kunden von Herzen, aber wir können ihnen anderweitig besser von Nutzen sein. Ich werde mich nicht an vertraute Dinge klammern, so wie Corvina. Wenn wir Manutius nach Kalifornien befördern könnten … wenn du, liebes Mädchen, tust, was du versprochen hast … dann wird keiner von uns diesen Laden mehr brauchen.«
    Wir sitzen da und schmieden Pläne. Wir sind uns einig, dass wir in einer idealen Welt den Codex Vitae zum Google-Scanner bringen und die großen Spinnenbeine darüberlaufen lassen würden. Aber wir können das Buch nicht aus dem Lesesaal entfernen.
    »Bolzenschneider«, sagt Neel. »Wir brauchen Bolzenschneider.«
    Penumbra schüttelt den Kopf. »Wir müssen diskret vorgehen. Wenn Corvina Wind davon bekommt, wird er uns verfolgen, und die Festina Lente Company verfügt über ungeheure Mittel und Möglichkeiten.«
    Außerdem kennt sie eine Menge Anwälte. Und wir brauchen, wenn wir Manutius Googles Gnaden übergeben wollen, nicht das Buch als solches. Wir brauchen es auf einer Festplatte. Darum frage ich: »Und wenn wir den Scanner einfach zum Buch bringen?«
    »Er ist nicht transportabel«, sagt Kat und schüttelt den Kopf. »Ich meine, man kann ihn schon bewegen, aber es ist ein Riesenaufwand. Sie

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