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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Schwarzroben. Corvinas Ent täuschung, seine Verachtung wiegelt sie auf, macht sich unter ihnen breit, schwillt an. Die dunklen großen Gestalten sind zu einem einzigen vorwurfsvollen Schatten zusammengerückt. Krähen, die gleich ein Massaker anrichten. Ich habe meinen Fluchtweg zur Treppe schon ausgespäht. Ich bin bereit, jederzeit loszurennen.
    »Merkt euch das gut«, sagt Corvina und hebt nur ganz leicht die Stimme. »Penumbra ist einer der Gebundenen. Sein Codex Vitae steht in diesen Regalen, genauso wie Zaids auch hier stehen wird. Und dennoch ist dessen Schicksal nicht sicher.« Er spricht ohne zu zögern und entschlossen, und seine Worte durchdringen den ganzen Saal: »Brüder und Schwestern, lasst es mich deutlich sagen: Wenn eine Last so schwer ist und eine Bestimmung so ernst, dann kann Freundschaft kein Schutzschild sein. Noch ein Fehler, und Penumbra wird verbrannt.«
    Darauf wird mit Keuchen und Tuscheln reagiert. Ich blicke mich um und schaue in schockierte und überraschte Gesichter. Möglicherweise ist der Erste Leser ein klitzekleines Stück zu weit gegangen.
    »Betrachtet eure Arbeit nicht als selbstverständlich«, sagt er etwas milder, »ganz gleich, ob ihr gebunden oder ungebunden seid. Wir müssen Disziplin üben. Wir müssen zielstrebig sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir« – hier macht er eine kleine Pause – »abgelenkt werden.« Er holt Luft. Er könnte ein Präsidentschaftskandidat sein – ein guter –, der absolut aufrichtig und überzeugend seine Wahlrede hält. »Auf den Text kommt es an, Brüder und Schwestern. Vergesst das nicht. Alles, was wir brauchen, steht bereits hier in diesem Text. Solange wir ihn besitzen und solange wir unseren Verstand besitzen« – er tippt sich mit dem Finger an die glatte Stirn –, »brauchen wir nichts anderes.«
    Danach schwärmen die Krähen aus. Schwarzroben schwirren um Zaid herum, gratulieren ihm, stellen ihm Fragen. Seine Augen, die über den rauen roten Wangen sitzen, sind immer noch feucht.
    Der Ungebrochene Buchrücken kehrt zurück an die Arbeit. Schwarzroben beugen sich über schwarze Bücher und ziehen die Ketten straff. In der Nähe des Podiums bespricht sich Corvina mit einer Frau mittleren Alters. Sie macht ausladende Armbewegungen, erläutert etwas, während er zu ihr hinabschaut und nickt. Deckle lauert gleich hinter ihnen. Unsere Blicke kreuzen sich. Er macht eine schroffe Bewegung mit dem Kinn, und die Botschaft ist klar: Hau ab .
    Ich halte den Kopf gesenkt und meine Tasche fest umklammert, während ich die volle Länge des Lesesaals durchmesse und mich dicht bei den Regalen halte. Aber als ich den halben Weg zur Treppe zurückgelegt habe, stolpere ich über eine Kette und falle aufs Knie. Meine Handfläche patscht auf den Boden, und eine Schwarzrobe beäugt mich argwöhnisch von der Seite. Er ist groß und hat einen Bart, der wie ein Projektil aus seinem Unterkiefer ragt.
    Ich flüstere: »Festina lente.«
    Dann blicke ich stur nach unten und schlurfe eilig zu den Stufen hin. Ich nehme immer zwei auf einmal, bis hinauf an die Oberfläche des Planeten Erde.
    Ich treffe Kat, Neel und Penumbra in der Lobby des Northbridge. Sie sitzen auf wuchtigen grauen Sofas und warten auf mich; Kaffee und Frühstück stehen vor ihnen auf dem Tisch. Der Anblick ist eine Oase der Normalität und Modernität. Penumbra schaut beunruhigt.
    »Mein Junge!«, sagt er und steht auf. Er mustert mich von oben bis unten und hebt eine Augenbraue. Ich stelle fest, dass ich immer noch den schwarzen Umhang trage. Ich lasse meine Tasche zu Boden gleiten und streife die Robe ab. Sie fühlt sich glatt an in meinen Händen und glänzt im Halbdunkel der Lobby.
    »Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagt Penumbra. »Warum hat es so lange gedauert?«
    Ich erkläre, was geschehen ist. Ich erzähle ihnen, dass Grumbles Scanner funktioniert hat, dann kippe ich die zerdrückten Überreste der Vorrichtung auf dem niedrigen Tisch aus. Ich berichte von Zaids Zeremonie.
    »Eine Bindung«, sagt Penumbra. »Es gibt nur wenige, und sie werden nur in großen Zeitabständen abgehalten. Was für ein Pech, dass das ausgerechnet heute geschehen ist.« Er hebt das Kinn. »Oder vielleicht: was für ein Glück. Auf diese Weise hast du mehr darüber erfahren, wie viel Geduld der Ungebrochene Buchrücken seinen Mitgliedern abverlangt.«
    Ich winke einen Kellner des Northbridge heran und bestelle sehnsüchtig eine Schale Haferflocken und einen Blue Screen of Death. Es ist noch

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