Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Opfer erworben hat. Tatsächlich gelange ich gerade an die Stelle, wo Telemach in das goldene Horn des Griffo blasen will, um die toten Elfen im Pinakes-Wald zum Leben zu erwecken, die ihm alle verpflichtet sind, denn er befreite einst ihre –
Das goldene Horn des Griffo.
Ach.
Griffo, wie Griffo Gerritszoon.
Ich klappe meinen Laptop auf und fange an, mir Notizen zu machen. Der Abschnitt geht folgendermaßen weiter.
»Das goldene Horn des Griffo ist elegant geschwungen«, sagte Zenodotus und zog mit dem Finger die Rundung von Telemachs Kleinod nach. »Und der Zauber liegt allein in seiner Herstellung. Verstehst du das? Hier ist keine Hexerei im Spiel – zumindest kann ich keine feststellen.«
Fernwens Augen weiteten sich erstaunt. Hatten sie nicht soeben einen Sumpf voll unzähliger Schrecken bezwungen, um diese verzauberte Trompete wieder in ihren Besitz zu bringen? Und jetzt behauptete der Erste Zauberer, sie besäße keinerlei magische Kräfte?
»Magie ist nicht die einzige Kraft auf dieser Welt«, sagte der alte Zauberer sanft und händigte das Horn seinem königlichen Besitzer aus. »Griffo hat ein so perfektes Instrument geschaffen, dass selbst die Toten auferstehen müssen, um seinen Ruf zu hören. Er hat es mit den Händen gefertigt, ohne Zauber oder Drachenlieder. Ich wünschte, auch ich könnte so etwas zustande bringen.«
Ich weiß nicht, was das bedeutet – aber ich glaube, es bedeutet irgendetwas.
Von hier an ist mir die Handlung vertraut: Während Fernwen und Telemach in den üppig ausgestatteten Kammern schlummern (endlich), stiehlt der Erste Zauberer das Horn. Dann zündet er eine rote Laterne an und schickt sie tänzelnd gen Himmel, ein Zeichen für die üblen Plünderer der Königin von Wyrm im Pinakes-Wald. Es gibt viel für sie zu tun, dort zwischen den Bäumen – alte Elfengräber aufzuspüren, Knochen auszugraben und zu Staub zu zermahlen –, aber sie wissen, was das Zeichen bedeutet. Sie brechen über die Zitadelle herein, und als Telemach das Halbblut in seiner Kammer aufschreckt, ist er umzingelt von großen dunklen Schatten. Sie heulen auf und schlagen zu.
Und an dieser Stelle endet der zweite Band.
»Es war fantastisch«, sagt Kat. Wir teilen uns eine glutenfreie Waffel im Gourmet Grotto, und sie erzählt mir von der Grün dungsversammlung des neuen Produktmanagements. Sie trägt eine cremefarbene Bluse mit einem dolchartigen Kragen; darunter, am Hals, blinzelt rot ihr T-Shirt hervor.
»Total fantastisch«, fährt sie fort. »Das beste Meeting, das ich je hatte. Vollkommen … strukturiert. Man weiß die ganze Zeit genau, was passiert. Jeder hat seinen Laptop mit –«
»Gucken die Leute sich überhaupt noch an?«
»Nicht wirklich. Alles Wichtige hat man auf dem Bildschirm. Einen Kalender, der eigenständig Termine verschiebt. Einen Backchannel-Chat. Und einen Faktencheck! Wenn man aufsteht und was sagt, sind da Leute, die deine Behauptung recherchieren, sie unterstützen oder widerlegen –«
Es hört sich an wie der Marktplatz von Athen für Informatiker.
»– und das Meeting geht echt ewig, sechs Stunden oder so, aber man merkt es gar nicht, weil man die ganze Zeit scharf nachdenken muss. Man zerbricht sich total den Kopf. Es sind so viele Informationen, die man aufnehmen muss, und sie kommen Schlag auf Schlag. Und sie – wir – treffen auch Schlag auf Schlag Entscheidungen. Wenn jemand eine Abstimmung fordert, dann passiert das live, und man muss seine Stimme sofort abgeben, oder man überträgt sie …«
Das klingt jetzt mehr nach Realityshow. Diese Waffel schmeckt grauenhaft.
»Es gibt da einen Techniker namens Alex, er ist eine große Nummer, baut die meisten Google Maps, und ich glaube, er mag mich – er hat seine Stimme schon einmal an mich delegiert, was ziemlich verrückt ist, wo ich doch total neu bin –«
Ich dagegen würde wahrscheinlich meine Faust an Alex’ Gesicht delegieren.
»– und es sind haufenweise Designer dabei, mehr Designer als sonst. Irgendjemand hat erzählt, sie hätten den Auswahl-Algorithmus manipuliert. Ich glaube, darum bin ich überhaupt reingekommen, weil ich Designer und Programmierer bin. Es ist die optimale Kombination. Jedenfalls.« Sie holt endlich Luft. »Ich habe eine Präsentation gemacht. Was man, glaube ich, bei seinem ersten PM wohl nicht machen soll. Aber ich habe Raj gefragt, und er meinte, es könnte okay sein. Vielleicht sogar eine gute Idee. Einen Eindruck hinterlassen. Oder was auch immer.« Sie
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