Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
schöpft noch einmal Atem. »Ich habe ihnen von Manutius erzählt.«
Sie hat’s getan.
»Was für ein unglaubliches uraltes Buch es ist, ein total historischer Schatz, total altes Wissen, OK –«
Sie hat es tatsächlich getan.
»– und dann habe ich erklärt, dass es da diese gemeinnützige Organisation gibt, die versucht, den Code zu knacken –«
»Gemeinnützig?«
»Das klingt besser als, naja, Geheimgesellschaft. Jedenfalls habe ich gesagt, sie versuchen den Code zu knacken, und natürlich haben die Leute da aufgehorcht, denn alle bei Google stehen auf Codes –«
Bücher: langweilig. Codes: abgefahren. Das sind die Leute, die das Internet regieren.
»– und ich habe gesagt, vielleicht sollten wir ein bisschen Zeit darauf verwenden, weil es der Beginn einer ganz neuen Sache sein könnte, eine Art öffentlicher Dechiffrierservice –«
Dieses Mädchen kennt sein Publikum.
»– und alle fanden, dass das eine gute Idee ist. Wir haben darüber abgestimmt.«
Unglaublich. Keine Heimlichkeiten mehr. Dank Kat haben wir jetzt offizielle Rückendeckung von Google. Es ist surreal. Wann wohl das Codeknacken losgeht?
»Also, ich soll das Ganze organisieren.« Sie zählt die einzelnen Aufgaben an den Fingern ab: »Ich trommle ein paar Freiwillige zusammen. Dann konfigurieren wir die Systeme und sehen zu, dass der Text im Ganzen okay aussieht – damit kann Jad uns helfen. Wir müssen auf jeden Fall mit Mr. Pe numbra sprechen. Vielleicht kann er nach Mountain View kom men? Jedenfalls glaube ich, dass wir in … in etwa zwei Wochen bereit sein könnten. Ja, sagen wir heute in zwei Wochen.« Sie nickt.
Eine Gemeinschaft von Geheimgelehrten hat fünfhundert Jahre mit dieser Aufgabe zugebracht. Und wir nehmen sie uns jetzt für einen Freitagmorgen vor.
DAS ULTIMATIVE OK
P enumbra erklärt sich bereit, die Buchhandlung so lange geöffnet zu halten, bis das Konto leer ist, darum kehre ich wieder an die Arbeit zurück, und zwar mit einer Mission. Ich bestelle mir den Katalog eines Buchvertriebs. Ich schalte wieder eine Anzeige bei Google, diesmal eine größere. Ich schreibe den Veranstaltern des großen Literaturfestivals von San Francisco, das eine ganze Woche läuft und kaufkräftige Leser aus fernen Orten wie Fresno anlockt, eine E-Mail. Das ist nur ein kleiner Versuch mit geringen Erfolgsaussichten, aber ich glaube, wir könnten es schaffen. Ich glaube, wir können richtige Kunden anziehen. Vielleicht brauchen wir die Festina Lente Company gar nicht. Vielleicht können wir diesen Laden in ein richtiges Geschäft verwandeln.
Vierundzwanzig Stunden nach dem Start der Anzeigenkampagne sind schon elf einsame Seelen hereinspaziert, was ziemlich aufregend ist, weil es vorher nur eine einsame Seele gab – mich. Diese neuen Kunden nicken bestätigend, wenn ich nach den Anzeigen frage, und vier von ihnen kaufen sogar ein Buch. Drei von den vieren nehmen ein Exemplar des neuen Murakami mit, den ich in einem hübschen kleinen Stapel neben eine Karte gepackt habe, die darüber Auskunft gibt, wie toll der Roman ist. Die Karte trägt die spinnenhafte Unterschrift von Mr. Penumbra, weil ich glaube, dass so was den Leuten gefallen könnte.
Nach Mitternacht entdecke ich North Face von Booty’s draußen auf dem Bürgersteig, die mit eingezogenem Kopf Richtung Bushaltestelle geht. Ich renne zum Eingang.
»Albert Einstein!«, rufe ich und lehne mich zur Tür hinaus.
»Was?«, sagt sie. »Ich heiße Daphne –«
»Wir haben die Einstein-Biografie«, sage ich, »von Isaacson. Das ist der, der auch die von Steve Jobs geschrieben hat. Wollen Sie sie noch?«
Sie lächelt und macht auf dem Absatz – der sehr hoch ist – kehrt, und damit sind es fünf verkaufte Bücher in dieser Nacht, ein neuer Rekord.
Jeden Tag kommen neue Bücher herein. Als ich zu meiner Spätschicht eintreffe, zeigt mir Oliver die Stapel der gelieferten Kisten und schaut mich erstaunt und leicht misstrauisch an. Seitdem ich wieder da bin und ihm alles erzählt habe, was ich in New York erfahren habe, wirkt er etwas verunsichert.
»Ich hatte immer den Verdacht, dass hier irgendwas im Busch ist«, sagte er leise, »aber ich dachte immer, es geht um Drogen.«
»Scheiße, Oliver! Wie das denn?«
»Naja«, sagte er. »Ich dachte, einige von diesen Büchern wären vielleicht randvoll mit Kokain.«
»Und du hast es nie für nötig gehalten, das vielleicht mal zu erwähnen?«
»Es war ja bloß eine Theorie.«
Oliver findet, dass ich mit unseren
Weitere Kostenlose Bücher