Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
dahinschwindenen Finanzen zu leichtfertig umgehe. »Meinst du nicht, wir sollten versuchen, möglichst lange mit dem Geld auszukommen?«
»Da spricht der wahre Denkmalschützer«, sage ich grinsend. »Geld ist nicht Terrakotta. Wir können es vermehren, wenn wir es richtig anstellen. Wir müssen es probieren.«
Jetzt führen wir also auch jugendliche Zauberer. Wir führen Vampir-Cops. Wie führen die Memoiren eines Journalisten, das Manifest eines Designers, die Graphic Novel eines Promi-Kochs. Aus einer nostalgischen Anwandlung heraus – vielleicht auch einer leicht trotzigen – führen wir die Neuausgabe der Drachenlied-Chroniken , alle drei Bände. Ich habe auch die alte Hörbuchausgabe für Neel bestellt. Er liest eigentlich keine Bücher mehr, aber vielleicht kann er sie sich beim Hanteltraining anhören.
Ich versuche, Penumbra für die Sache zu begeistern – unsere nächtlichen Einnahmen sind nach wie vor nur zweistellig, aber das ist eine ganze Stelle mehr als vorher –, nur ist er in Gedanken ganz mit der Großen Entschlüsselung beschäftigt. Eines kalten Dienstagmorgens kommt er mit einer Tasse Kaffee in der einen und seinem mysteriösen E-Reader in der anderen Hand zum Laden herein, und ich zeige ihm, womit ich in letzter Zeit die Regale bestückt habe:
»Stephenson, Murakami, der neueste Gibson, Die Information von James Gleick, Das Haus von Danielewski, Neuauflagen vom Moffat« – ich deute beim Vorlesen auf die ein zelnen Titel. Jedes Buch hat ein Infoschildchen auf dem Regalbrett, die alle mit »Mr. Penumbra« unterzeichnet sind. Ich war ein wenig in Sorge, dass er etwas gegen die Verwendung seiner Unterschrift haben könnte, aber er bemerkt es nicht einmal.
»Sehr schön, mein Junge«, sagt er mit einem kleinen Nicken, während er weiter auf seinen E-Reader starrt. Er hat keine Ahnung, was ich gerade gesagt habe. Seine Regale entziehen sich seinem Interesse. Er nickt wieder und wischt einmal kurz über den Bildschirm des E-Readers, dann schaut er auf. »Es findet nachher ein Meeting statt«, sagt er. »Die Googler wollen den Laden besuchen« – er macht drei Silben daraus, Goo-gel-ler – »um uns kennenzulernen und das Vorgehen zu besprechen.« Er hält inne. »Ich denke, du solltest auch daran teilnehmen.«
So gibt es also an diesem Nachmittag, gleich nach der Lunchzeit, ein großes Zusammentreffen der alten und der neuen Garde in der Buchhandlung Penumbra . Die allerältesten Schüler Penumbras sind anwesend: der weißbärtige Fedorov und eine Frau namens Muriel mit kurzem silbernem Haar. Ich habe sie noch nie gesehen; wahrscheinlich kommt sie tagsüber. Fedorov und Muriel folgen ihrem Lehrer. Sie sind auf die Seite der Schurken gewechselt.
Kat hat eine Google-Abordnung zusammengestellt und uns vorbeigeschickt. Sie besteht aus Prakesh und Amy, die beide noch jünger sind als ich, und Jad vom Bücherscanner. Anerkennend betrachtet er eingehend die Regale im vorderen Bereich. Vielleicht kann ich ihm ja später was verkaufen.
Neel ist bei einer Google-Konferenz von Anwendungsentwicklern in der Innenstadt – er möchte noch mehr Kollegen von Kat kennenlernen und den Boden für die Anatomix-Übernahme bereiten –, aber er hat Igor geschickt, für den das vollkommenes Neuland ist, der aber alles im Handumdrehen zu erfassen scheint. Es kann sogar gut sein, dass er der schlaueste Mensch hier im Laden ist.
Wir alle, Junge wie Alte, stehen gemeinsam um den Schreib tisch am Eingang herum, wo aufgeschlagene Bände aus der Ladenhüterabteilung zur Inspektion einladen. Es ist ein Crashkurs in der jahrhundertelangen Arbeit des Ungebrochenen Buchrückens.
»Das sind Bücher«, sagt Fedorov, »nicht nur aneinandergereihte Buchstaben.« Er fährt mit dem Finger über eine Seite. »Darum müssen wir nicht nur nach Buchstaben, sondern auch nach Seiten kalkulieren. Einige der kompliziertesten Verschlüsselungsprogramme basieren auf dieser seitenweisen Zusammensetzung.«
Die Googler nicken und tippen Notizen in ihre Laptops. Amy hat eine kleine Tastatur auf ihrem iPad aktiviert.
Das Glöckchen über der Tür klingelt, und ein hochge schossener Mann mit einer schwarz umrandeten Brille und langem Pferdeschwanz hastet in den Laden. »Entschuldigt bitte die Verspätung«, sagt er atemlos.
»Hallo, Greg«, sagt Penumbra.
»Hallo, Greg«, sagt Prakesh im selben Moment.
Sie schauen sich an, dann zu Greg hinüber.
»Allerdings«, sagt Greg. »Das ist bizarr.«
Wie sich herausstellt, ist
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