Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
dunklen Höhlen verlieren und der so blasse und faltige Wangen hat, dass sie aussehen wie ein zerknittertes Papiertaschentuch; er wird von einem jungen Bediensteten im eleganten Anzug geschoben. Der Alte krächzt Fedorov eine schwache Begrüßung zu, und der drückt ihm herzlich die Hand.
Und schließlich ist da auch Penumbra. Er hält Hof am Rand des Amphitheaters und erklärt, was jetzt kommt. Er lacht und gestikuliert, zeigt hinunter zu den Googlern an ihren Tischen, zeigt auf Kat, zeigt auf mich.
Ich habe ihm von Corvinas Anruf nichts erzählt und habe es auch nicht vor. Der Erste Leser ist jetzt nicht mehr wich tig. Wichtig sind die Leute hier in diesem Amphitheater, wich tig ist das Rätsel da oben auf den Monitoren.
»Komm her, mein Junge, komm her«, sagt er. »Ich möchte dir Muriel richtig vorstellen.« Ich lächle und schüttle ihr die Hand. Sie ist wunderschön. Ihr Haar ist silber, fast weiß, aber ihre Haut ist glatt, und nur um die Augen kräuselt sich eine winzig kleine Borte aus Mikrofältchen.
»Muriel betreibt eine Ziegenfarm«, sagt Penumbra. »Du solltest mit deiner, äh, Freundin, weißt du« – er nickt in Kats Richtung –, »du solltest einmal mit ihr hinfahren. Das ist ein wunderbarer Ausflug.«
Muriel lächelt freundlich. »Im Frühjahr ist es am schönsten«, sagt sie. »Da haben wir Ziegenbabys.« Zu Penumbra sagt sie, gespielt vorwurfsvoll: »Als Botschafter bist du hervor ragend, Ajax, aber ich wünschte, ich könnte auch dich öfter einmal zu uns locken.« Sie zwinkert ihm zu.
»Oh, der Laden hat mich vollauf in Anspruch genommen«, sagt er, »aber jetzt, wenn das hier vorbei ist?« Er wedelt mit den Händen, und über seinem Gesicht breitet sich ein kleines Stirnrunzeln aus, das so viel besagen soll wie: Wer weiß das schon? »Wenn das hier vorbei ist, ist alles möglich.«
Moment mal – ist hier irgendwas im Busch? Es kann doch hier nicht ernsthaft irgendwas im Busch sein.
Irgendwas ist hier im Busch.
»Okay, bitte Ruhe, Leute. Ruhe!«, ruft Kat am Fuß der Sitzreihen. Sie schaut auf, um die Gruppe von Gelehrten anzusprechen, die sich auf den Steinstufen versammelt hat: »Also, ich bin Kat Potente, die PM dieses Projekts. Ich freue mich, dass Sie alle gekommen sind, aber bevor wir anfangen, sollten Sie noch ein paar Dinge wissen. Zuerst einmal, Sie können das Wi-Fi benutzen, aber die Glasfaserkabel sind ausschließlich den Googlern vorbehalten.«
Ich schaue zu der versammelten Menge aus Mitgliedern der Gemeinschaft. Tyndall konsultiert gerade eine Taschenuhr, die mit einer langen Kette an seiner Hose befestigt ist. Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird.
Kat schaut auf eine ausgedruckte Checkliste. »Zweitens bitte ich Sie, nichts, was Sie hier sehen, zu bloggen, zu twittern oder zu streamen.«
Imbert bringt gerade ein Astrolabium in Stellung. Wirklich: kein Problem.
»Und drittens« – sie grinst – »wird es nicht lange dauern, also machen Sie es sich gar nicht erst gemütlich.«
Jetzt wendet sie sich an ihre Truppen: »Wir wissen noch nicht, mit welchem Code wir es zu tun haben«, sagt sie. »Das müssen wir als Erstes herausfinden. Darum werden wir parallel arbeiten. Zweihundert virtuelle Maschinen stehen in der Big Box bereit und warten darauf, loszulegen, und euer Code läuft automatisch, wenn ihr ihn einfach CODEX taggt. Alles startklar?«
Die Googler nicken. Ein Mädchen streift sich eine dunkle Schutzbrille über.
»Dann los.«
Die Monitore erwachen zum Leben, und es folgt ein Blitzgewitter aus Datenvisualisierung und Durchforschung. Der Text M ANVTIVS blinkt leuchtend und zerfranst auf, inmitten jener rechtwinkligen Buchstaben, die von Code und Konsole bevorzugt werden. Jetzt ist es kein Buch mehr; es ist eine Datenhalde. Streu- und Balkendiagramme werden auf den Monitoren ausgerollt. Auf Kats Befehl bearbeiten die Maschinen von Google die Daten immer wieder neu, auf neunhundert verschiedene Arten. Neuntausend. Noch passiert nichts.
Die Googler suchen nach einer Botschaft im Text – irgendeiner Botschaft. Es könnte ein ganzes Buch, es könnten ein paar Sätze, es könnte ein einziges Wort sein. Niemand, nicht einmal der Ungebrochene Buchrücken, weiß, was uns hier erwartet oder welchen Schlüssel Manutius verwendet hat, und das macht es zu einem schwer lösbaren Problem. Glücklicherweise lieben die Googler schwer lösbare Probleme.
Jetzt werden sie kreativer. Sie lassen bunte Kreuze und Spiralen und Galaxien über die Bildschirme
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