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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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tanzen. Die Diagramme wachsen zu neuen Dimensionen an – erst werden Würfel und Pyramiden und Kleckse daraus, dann wachsen ihnen lange Tentakel. Bei dem Versuch, alles zu verfolgen, verschwimmen die Formen vor meinen Augen. Ein Lateinlexikon huscht über einen der Monitore – eine ganze Sprache, in Millisekunden durchsucht. Es gibt N-Gramme und Vonnegut-Diagramme. Landkarten tauchen auf, mit Buch stabensequenzen, die irgendwie in Längen- und Breitengrade übersetzt und um die ganze Welt gejagt werden, eine Staubschicht aus Punkten, die über Sibirien und den Südpazifik fegt.
    Nichts.
    Die Monitore flackern und leuchten, während die Googler jede Möglichkeit ausloten. In der Gemeinschaft wird es unruhig. Einige lächeln noch; andere machen besorgte Gesichter. Als auf einem Monitor ein riesiges Schachbrett mit einem Stapel Buchstaben auf jedem Feld erscheint, schnieft Fedorov und brummt: »Das haben wir schon im Jahr 1627 probiert.«
    Glaubt Corvina deswegen, dass das Projekt misslingen muss – weil der Ungebrochene Buchrücken buchstäblich schon alles probiert hat? Oder weil hier schlicht geschummelt wird – weil dem alten Manutius keine großen bunten Bildschirme und virtuellen Maschinen zur Verfügung standen? Folgt man diesen beiden Argumenten, öffnet sich eine Falltür, die direkt in den Lesesaal, mit seiner Kreide und sei nen Ketten, hinabführt und an keinen anderen Ort. Ich glaube immer noch nicht, dass das Geheimnis der Unsterblichkeit plötzlich auf einem dieser Monitore aufleuchten wird, aber Mann, wie sehr wünsche ich mir, dass Corvina sich irrt. Ich wünsche mir, dass Google diesen Code knackt.
    »Okay«, verkündet Kat, »wir haben gerade noch achthundert Maschinen dazubekommen.« Sie hebt die Stimme, die laut über den Rasen tönt: »Geht tiefer. Mehr Iterationen. Legt euch ins Zeug.« Sie läuft von einem Tisch zum anderen, gibt Ratschläge und ermuntert. Sie kann gut führen – ich sehe es in den Gesichtern der Googler. Ich glaube, Kat Potente hat ihre Berufung gefunden.
    Ich sehe zu, wie Igor den Text in Angriff nimmt. Zuerst wandelt er jede Buchstabenzeile in ein Molekül um und simuliert eine chemische Reaktion; die Lösung verschwimmt auf dem Monitor zu grauem Schlamm. Dann bildet er aus Buchstaben kleine 3-D-Männchen und verpflanzt sie in eine simulierte Stadt. Sie laufen umher, stoßen gegen Gebäude und bilden dicke Menschenklumpen in den Straßen, bis Igor das Ganze mit einem Erdbeben wieder zerstört. Nichts. Keine Botschaft.
    Kat klettert die Stufen hinauf, blinzelt in die Sonne und hält sich schützend die Hand vor Augen. »Der Code ist hart«, gibt sie zu. »Sogar echt brutal.«
    Tyndall kommt vom anderen Ende des Amphitheaters angerannt und macht einen Satz über Lapin, die quietscht und schützend die Hände hebt. Er packt Kat am Arm. »Sie müssen die Mondphase zur Zeit der Niederschrift berücksichtigen! Die lunare Stellung ist von entscheidender Bedeutung!«
    Ich lange hinüber und löse seine zitternde Klaue von Kats Arm. »Mr. Tyndall, keine Sorge«, sage ich. Ich habe schon eine Kolonne von halb abgenagten Monden über die Bildschirme defilieren sehen. »Man kennt Ihre Verfahren hier.« Und wenn Google eines ist, dann gründlich.
    Während unten die Monitore aufblitzen und wieder verschwimmen, spaziert ein Team von Googlern durch die Gemeinschaft – junge Leute mit Klemmbrettern und freund lichen Gesichtern, die Fragen stellen: Wann sind Sie geboren? Wo wohnen Sie? Wie hoch ist Ihr Cholesterinwert?
    Ich hätte gern gewusst, was die da machen.
    »Sie sind von Google Forever«, sagt Kat etwas verlegen. »Praktikanten. Ich meine, das ist eine gute Gelegenheit. Ein paar von diesen Leuten sind so alt und immer noch so fit.«
    Lapin beschreibt einem Googler, der eine schmale Videokamera auf sie gerichtet hält, ihre Arbeit bei Pacific Bell. Tyndall spuckt in ein Plastikröhrchen.
    Eine Praktikantin geht auf Penumbra zu, aber er winkt sie wortlos weg. Sein Blick ist starr auf die Monitore unter ihm gerichtet. Er ist vollkommen gebannt, und die blauen Augen strahlen so hell wie der Himmel über uns. Unwillkürlich höre ich, wie Corvinas Warnung in meinem Kopf widerhallt: Und dieser, sein letzter und größter Plan – wird ebenso wenig fruchten.
    Aber mittlerweile ist es nicht mehr nur Penumbras Plan. Er hat viel größere Kreise gezogen. Allein die vielen Leute – allein Kat. Sie steht wieder unten im Kontrollzentrum und tippt wild auf ihr Handy ein. Dann schiebt

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