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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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sie es zurück in ihre Hosentasche, richtet sich auf und spricht zu ihrem Team.
    »Haltet mal eine Sekunde«, ruft sie und wedelt mit den Armen. »Halt!« Das Codeknacker-Roulette kommt langsam zum Stillstand. Auf einem der Monitore rotieren die Buchstaben M ANVTIVS durchs Nichts, alle in einer anderen Geschwin digkeit. Auf einem anderen versucht sich gerade eine Art superkomplizierter Knoten zu entwirren.
    »Das PM tut uns einen großen Gefallen«, verkündet Kat. »Was immer ihr gerade am Laufen habt, taggt es KRITISCH . In ungefähr zehn Sekunden werden wir diesen Code ins gesamte System auslagern.«
    Moment – das gesamte System? Also jetzt, ins gesamte System? In die Big Box?
    Kat grinst. Sie ist ein Artillerieoffizier, dem man endlich eine große Kanone zur Verfügung gestellt hat. Jetzt schaut sie zu ihrem Publikum auf – zur Gemeinschaft. Sie hält die Hände trichterförmig um den Mund: »Das war nur eine Übung zum Aufwärmen!«
    Über die Monitore breitet sich eine Countdown-Grafik. Riesige Zahlen in Regenbogenfarben leuchten auf: 5 (rot), 4 (grün), 3 (blau), 2 (gelb) …
    Und dann, an einem sonnigen Freitagvormittag, kann man drei Sekunden lang nichts suchen. Nicht seine E-Mails checken. Keine Videos sehen. Keine Wegbeschreibungen erhalten. Drei Sekunden lang geht gar nichts, weil sich jeder einzelne Computer auf der ganzen Welt dieser Aufgabe widmet.
    Mit einem Wort, eine richtig, richtig große Kanone.
    Das Bild auf den Monitoren verblasst, wird komplett weiß. Es gibt nichts zu sehen, weil jetzt zu viel geschieht, mehr, als man auf einer Reihe von vier oder vierzig oder viertausend Monitoren je zeigen könnte. Jede Transformation, die auf diesen Text angewendet werden kann, wird jetzt angewendet. Jeder mögliche Fehler wird erfasst, jeder optische Eigenwert herausgelockt. Jede Frage, die man einer Buchstabensequenz stellen kann, wird gestellt.
    Drei Sekunden später ist die Befragung abgeschlossen. Im Amphitheater herrscht Stille. Die Gemeinschaft hält den Atem an – nur nicht der Älteste, der Mann im Rollstuhl, der mit einem lauten Rasseln langsam die Luft durch den Mund einzieht. Penumbras Augen leuchten erwartungsvoll.
    »Und? Was haben wir?«, sagt Kat.
    Die Monitore sind hell und halten die Antwort bereit.
    »Leute? Was haben wir?«
    Die Googler schweigen. Die Monitore sind nackt. Die Big Box ist leer. Nach alledem: nichts. Das Amphitheater ist verstummt. Hinter der Rasenfläche macht eine kleine Trommel Ra-ta-tat .
    Ich suche Penumbras Gesicht in der Menge. Er wirkt völlig am Boden zerstört, starrt immer noch auf die Monitore hinunter, wartet darauf, dass etwas, irgendetwas erscheint. Man sieht ihm regelrecht an, welche Fragen auf ihn einstürzen: Was hat das zu bedeuten? Was haben sie falsch gemacht? Was habe ich falsch gemacht?
    Die Googler unten schauen sich bedröppelt an und tu scheln. Igor ist immer noch tief über seine Tastatur gebeugt, probiert immer noch irgendwas aus. Farbfetzen leuchten und huschen über seinen Bildschirm.
    Kat steigt langsam die Stufen zu mir herauf. Sie wirkt niedergeschlagen und entmutigt – schlimmer als zu dem Zeitpunkt, als sie glaubte, nicht im PM aufgenommen worden zu sein. »Also, ich schätze, sie haben sich geirrt«, sagt sie und winkt schwach zur Gemeinschaft hinüber. »Hier ist keine Botschaft. Nur viel Lärm um nichts. Wir haben alles versucht.«
    »Naja, nicht alles, oder –«
    Sie schaut gereizt hoch. »Doch, alles. Clay: Wir haben uns gerade in die Entsprechung von ungefähr einer Million Jahren menschlicher Erfahrung eingeloggt. Und haben eine Niete gezogen.« Ihr Gesicht ist gerötet – wütend, peinlich berührt oder beides auf einmal. »Da ist nichts.«
    Nichts.
    Welche Erklärungsmöglichkeiten bieten sich hier an? Entweder ist der Code dermaßen subtil, dermaßen komplex, dass selbst die mächtigste Computerstreitmacht der Weltgeschichte ihn nicht knacken kann – oder es ist schlicht kein Code vorhanden, und der ganze Aufwand der Gemeinschaft war umsonst, der ganze Aufwand von fünfhundert Jahren.
    Ich versuche Penumbras Gesicht wiederzufinden. Ich suche das Amphitheater ab, lasse den Blick über die Menge der Gemeinschaft schweifen. Da ist Tyndall, der irgendetwas in sich hineinmurmelt, Fedorov, der grübelnd und zusammengesunken dasitzt, Rosemary Lapin, die tapfer lächelt. Und dann entdecke ich ihn: ein langes Strichmännchen, das sich schwankend über den Google-Rasen entfernt, fast schon die Baumgruppe auf der anderen

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