Die Sonne war der ganze Himmel
Schnapsflasche, die im Licht der nackten, den Qualm nur mühsam durchdringenden Deckenlampen aufblitzte. Bei meinem Anblick bleckte er die Zähne und brüllte: »Private Bartle!« Ich wäre fast vom abgewetzten Polster des Barhockers gerutscht. Dann hörte ich oben Lärm und sah, wie Sterling taumelnd innehielt, wie ein Ausdruck der Erkennens über sein trunkenes Gesicht huschte. Ich betete insgeheim, er möge mich in Ruhe lassen, doch meine Gebete blieben unerhört, allesamt, und das wusste ich. Er kam auf mich zu, zog einen Hocker dicht zu mir heran. Sein Atem ging schwer und keuchend, seine tätowierte Brust hob und senkte sich, er legte mir einen Arm um die Schultern und drückte mich. Er lächelte mit weißen, zusammengebissenen Zähnen, seine Augen waren geweitet und blutunterlaufen, und seine Iris war so blau wie verdorrter Lavendel.
Die junge, rothaarige Frau war bei seinem Anblick gegen die Wand zurückgewichen. Sterling nahm den Arm von meinen Schultern und taumelte hinter die Bar. »Heute Nacht nicht?«, lallte er der Frau ins Gesicht. »Was, Nutte? Nicht heute Nacht?« Er langte mit der freien Hand nach ihrem Gesicht und quetschte ihre Wangen zusammen. Unter seinen Fingern bildeten sich dunkelrote Flecke auf ihrer Haut. Sie wollte sich losreißen, Tränen verschmierten ihre Mascara, aber sie kniff ihre feinen Lippen zusammen, blieb so gerade stehen, wie es der Druck seiner Finger erlaubte.
»Sergeant Sterling«, stammelte ich. »Los, trinken Sie einen mit mir.« Ich bemerkte, dass er mich gehört hatte – ein leises Zucken hinter den Ohren, ein unmerkliches Kräuseln der Kopfhaut an den Seiten –, doch er ließ sie nicht los. Ich atmete tief durch, sog die schale Luft in meine Lungen und brüllte: »Komm schon, Wichser! Trink!«
Er gab ihr einen Stoß, bevor er sie losließ. Ihr Kopf knallte so heftig gegen die Wand, dass der Putz einen Riss bekam. Sie versuchte, von ihm loszukommen, doch er packte sie beim Ellbogen, bog ihren Arm gewaltsam gerade. »Her mit dir, aber sofort.« Sie weinte stumm. Die roten Druckstellen auf ihren Wangen erinnerten mich an das aufgemalte, traurige Lächeln eines Clowns, und unter ihren Augen verlief die Mascara in schwarzen Rinnsalen. Sterling setzte sich neben mich, gab mir einen Klaps auf den Rücken und packte mich dann hinten beim Kragen. »Den scheiß Traum leben, Private«, rief er.
Der Raum hatte sich längst geleert. Einige Gäste waren mit den Mädchen nach oben gegangen, andere, die nicht mit einem Haufen betrunkener Amerikaner erwischt werden wollten, waren in die Nacht verschwunden. Die Uhr hinter der Bar zeigte fast zwei Uhr früh.
»Das ist die absolute Freiheit.« Er lachte. »Mann, wie ich das liebe.«
Der warme, strenge Geruch des Whiskeys sorgte dafür, dass ich langsam wieder einen klaren Kopf bekam. Sterling saß eine Weile schweigend da. Ich zündete mir eine Zigarette an, deren Rauch über uns im gelben Licht aufstieg. Die junge Frau war vor der Wand auf den Boden gesackt.
»Hey – erinnerst du dich noch an seinen Gesichtsausdruck, als sich diese Haddschi beim Essen in die Luft gejagt hat?«
»Wessen Gesichtsausdruck?«, fragte ich.
»Murphs. Weißt du nicht mehr, Mann? Murphs.«
»Nein, nicht genau, Sarge. War ein ätzender Tag.«
»Scheiße. Diese Haddschi war weg, Private. Zack – und weg.«
»Ja.«
»Er hat ein echt komisches Gesicht gezogen.«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Ich dachte, Sie erinnern sich an alles. Wie eines dieser autistischen Genies oder so.«
Ich versuchte, seine Worte mit einem Lachen abzutun. »Sie sind hoffnungslos, Sarge.«
»Klar. Haben Sie endlich kapiert, wie die Scheiße endet?«
»Sicher. Ja. Das habe ich kapiert.«
»Ich habe das Kommando.«
Ich lachte nervös. »Ich weiß.«
»Wenn ich das Kommando habe, geht alles glatt. Wenn ich mich zu irgendeinem Quatsch überreden lasse … sind wir komplett aufgeschmissen.«
Ich versuchte, das Thema zu wechseln. »Was hat Sie auf Murph gebracht?«
»Scheiß auf Murph.«
Ich schwieg.
»Wir wissen, was passiert ist. Schluss. Aus.«
Er war betrunken. Ich hatte ihn noch nie so erlebt: kurz vor dem Kontrollverlust, mürrisch und beinahe sentimental. Er schien irgendetwas abschütteln zu wollen, nur wusste ich nicht, was, und ich hatte ganz sicher keine Lust, noch länger neben ihm zu sitzen, während er sich quälte.
Er stieß den Zeigefinger erst gegen meine Brust, dann gegen seine. »Wir beide wissen es. Sie und ich. Als wären wir verheiratet.
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