Die Sonne war der ganze Himmel
Unglaublich grün. Auf jedem Quadratzentimeter schien ein Baum zu wachsen. Es war Frühling, viele Bäume blühten, und aus dieser Höhe schienen sogar die Blüten grün zu sein. Ich wäre am liebsten aus dem Flugzeug gesprungen, um über dieses Grün zu gleiten, zu sehen, ob es tatsächlich so satt und üppig war, wie es von hier oben wirkte. Und als ich mir vorstellte, durch die Luft zu sausen, das Grün ein letztes Mal in mich aufzunehmen, bevor ich auf dem Boden zerschellte, fiel mir das fehlende Wort ein – Hause. Ich will nach Hause.
»Aufwachen. Wir sind da«, sagte der Lieutenant. Ich warf einen Blick aus dem Fenster, sah ein zerfranstes Banner, das vor dem Flughafengebäude im Wind flatterte. Man bedankte sich für unsere Dienste und hieß uns in den Vereinigten Staaten willkommen.
Das war alles. Die Türen gingen auf. Wir verließen das Flugzeug über die Gangway, gingen zum schimmernden Flughafengebäude, das im Inneren zu glühen schien. Das Durcheinander aus kleinen, grellen Buchstaben vor dem Hintergrund weißer Wände und Fußböden verwirrte mich. Ich konnte nicht klar denken, sah, wie sich im Dunkeln eine Nation entfaltete: Sie glitt über Hügel und Gebirgsvorland, fiel im Westen der Blue Ridge Mountains auf eine in rosafarbenen Dämmerungsschein getauchte Ebene, schlummernd unter den verstreichenden Stunden. Ein Jahr keimte zwischen den Küsten auf, einsam und allein, es entsprang der harten Erde wie Goldrute und Löwenzahn.
Wir durchschritten nacheinander ein extra Gate, standen in der kalten Brandung des Kunstlichts, lauschten dem Summen und Brummen. Einige Worte der Offiziere und ranghöheren Mannschaftsdienstgrade, dann waren wir entlassen. Ab jetzt wäre das Gewöhnliche besonders, das Besondere langweilig, und der Gedanke an alles, was dazwischen lag, ließ meinen Kopf schwirren.
Der Lieutenant gab uns ein Sicherheits-Briefing mit auf den Weg, sagte das übliche: »Quatscht nicht zu viel. Fahrt nicht betrunken Auto. Wenn Euch eure Alte nervt, vergesst nicht …«
Wir antworteten wie aus einem Mund: »Nicht zuschlagen, sondern vertragen.« Wir standen in Reih und Glied, bis der First Sergeant brüllte: »Wegtreten!«, aber wir liefen nicht in alle Richtungen auseinander. Stattdessen löste sich der Rest unserer Einheit langsam auf, ausgehend von der Mitte wie ein Ölfleck auf Wasser. Aus den Augen einiger Soldaten sprach Verwirrung. Ich hörte sogar ein paar sagen: »Und was jetzt?« Diese Frage ging auch mir durch den Kopf, doch ich bohrte die Fingernägel in die Handflächen, bis die Haut schmerzte, dachte: Auf keinen Fall, auf gar keinen Fall – jetzt beginnt etwas anderes.
Die Geister der Gefallenen füllten die leeren Sitzplätze vor jedem Gate, an dem ich vorbeikam: Junge Männer mit verbrannter Haut und abgerissenen Gliedern, durch Mörsergranaten, Raketen, Kugeln und Sprengsätze verstümmelt, und mir kam der Gedanke, dass sie noch ganz jung waren und zu Hause eine Freundin hatten, vielleicht auch einen Traum, der ihrem Leben, wie sie meinten, etwas Besonderes verlieh. Sie irrten sich natürlich. Wenn man tot ist, träumt man nicht. Ich träume. Den lebendigen Traum, aber ich werde mich ganz sicher nicht dafür bedanken.
Ich ging zur einzigen offenen Bar im Flughafenterminal und setzte mich auf einen fabrikneu wirkenden Hocker. Diese Bar war ebenso steril wie der ganze Flughafen. Der Fußboden war blitzsauber; nur auf dem Weg, auf dem ich gekommen war, lag feiner Staub wie eine in den Krieg zurückführende Spur. Ich bestellte ein Bier und legte die Scheine auf den hellen Holztresen. Als ich mein Gesicht in der spiegelblanken Lackierung sah, schob ich den Hocker ein Stück zurück. Ein Gebäudereiniger wischte die lange, geflieste Strecke zwischen zwei Gates, und ich trank einen Schluck Bier und betrachtete den Staub, den ich auf meinem Weg hinterlassen hatte.
»Hey, Boss«, sagte ich.
Der Mann war schon etwas älter, und als er auf mich zukam, zog er den Feudel hinter sich her. Er blieb vor mir stehen, verschränkte die Arme auf dem Stiel.
»Ich will Sie nicht stören, aber dürfte ich kurz den Fußboden dort hinten wischen?« Ich wollte aufstehen, um den Feudel zu nehmen und meine Staubspur wegzuwischen.
Er folgte meinem Blick und erwiderte: »Aber … da ist doch gar nichts, Junge. Vergiss es einfach.« Er wollte mir auf die Schulter klopfen, aber ich drehte mich um, griff nach dem Bier, trank es aus. Ich zeigte auf die Bar, legte weitere Dollarscheine auf jene, die
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