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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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Schwester gekauft hatte und die nach Kerzenwachs rochen, weil sie ein Jahr lang hinten im Schrank gelagert worden waren. Bei diesen hätte es genügt, sie zum Dreieck zu legen und an den Spitzen zu einem Krönchen zusammenzustecken, edel genug für meinen Geschmack, aber Mila bestand darauf, gerade aus ihnen etwas Besonderes zu machen, also mußten wir sie um einen Bleistift legen und mit einer obszönen Melkbewegung raffen und straffen, so daß die Serviette in winzigen Ringen um den Stift riffelte wie ein Waschmaschinenschlauch. Ich ertappte mich, wie dabei meine Zungenspitze zwischen den Lippen herauslugte, ich biß mir auf die Zunge vor Konzentration, dann nahm Mila das Ergebnis an sich und zog und zupfte daran, bauschte hier etwas auf, drückte dort etwas zurecht, sie tat das spielerisch, mit einer Leichtigkeit, die dem Hauch von Papier wohl angemessen war, sie schuf erstaunliche Blüten, gefüllte Pfingstrosen, Lilien, Gladiolen, und was mich am meisten verwunderte, war, daß diese Blüten weit größer wirkten, weit materialreicher als das Stück Serviette, aus dem sie entstanden waren, es schien beinah, als greife Mila diese Dinge aus dem Nichts, während ich doch genau wußte, daß ich mit ihr am Tisch gesessen und schwitzend die Vorarbeiten geleistet hatte.
    Zu Milas Geburtstagsfeier mit den Klassenkameradinnenfalteten wir Ponys aus rotem Kreppapier, zu meinem Kindergeburtstag wünschte ich mir etwas Technisches, und Mila brachte graue Papierhandtücher mit, die sie aus einem Spender im Waschraum ihrer Schule genommen hatte. Daraus falteten wir nach dem Prinzip der Wasserbombe Quader, die wir auf einer Seite mit Filzstift als Fernsehschirm bemalten.
    Milas Serviettensammlung: die dünnen Vliese, mit denen man sich den Mund abwischte, den Schoß bedeckte. Von jeder Familienfeier nahm meine Schwester ihre Serviette mit nach Hause und ordnete sie in den Klarsichthüllen eines alten Schallplattenalbums an. Konnte es ihr dabei allen Ernstes um die aufgedruckten Muster und Motive gehen, die in der Regel scheußlich waren, oder doch eher um diese aufgestaute Sinnlichkeit, die Unbenutztheit, die Möglichkeit einer Entfaltung. Es kam darauf an, daß die Tücher schon auf einem Tisch gelegen hatten, aber nicht weiter eingesetzt, sondern geschont worden waren. Unbefleckte Servietten strich sie zu Hause noch einmal glatt.
    Ich stehe vom Ärztetisch auf, nicke einer imaginären Frau Dr. Z. zu und trage mein Geschirr zum Teewagen. Ich schiebe mit dem Messer meine Orangenschalen zu den übrigen in die Spülschüssel, wische mit der Serviette nach, stelle den Teller auf den Stapel und werfe das Messer in eine andere Schüssel, wo es mit einem Klick zwischen Besteckteile sinkt. Ich gehe noch einmal an meinen Platz zurück und hole meine Gabel, meine Tasse, meine Untertasse.
    Wir haben dickwandige weißglasierte Tassen, in denen man sich nichts als leicht gesüßten Hagebuttentee vorstellen kann, Tassen, deren Fuß zu augenfällig in die Vertiefung der Untertasse paßt, Tassen, für die es kein einfaches Abstellen gibt, nur ein Einrasten. Ich setze meine Tasse mit dumpfem Scheppern auf die Spitze des Tassenturms. Das deutsche Anstaltsgeschirr:In allen Einrichtungen mit gemeinschaftlicher Beköstigung, in Krankenhäusern, Jugendherbergen, Kinderheimen verwendet man dieses Geschirr, an dem immerwährend der Geruch nach zu scharfem Spülmittel hängt. Man riecht die sterile Spülküche, riecht die riesigen Maschinen, die heiße Lauge um die Körbe mit den eingestellten Tellern wälzen, man riecht den unentwegt gewischten gelblichen Fliesenboden mit, Küchen, gekachelt wie U-Bahn-Eingänge, als sei für uns alle hier der Aufenthalt nur Durchgangsstation.

10 Tarnungsfehler
    Nebel über den Abflußgittern, Nässe in den Ästen, ein trügerischer Vorfrühlingsabend, der in einen ebenso trügerischen Morgen münden wird: erst dunkel und regnerisch, dann verhangen und klamm, später von einer klebrigen Feuchtigkeit, die bis in die Knochen dringt.
    Ich treffe meine Vorbereitungen mit einer mürrischen Affinität zum sogenannten schlechten Wetter. Sobald die Patienten im Bett liegen, mache ich mich auf zu unserer Garagensiedlung, die sich am Rand des Schloßparks befindet und einmal wohl auch ausgewählten Bewohnern der nahegelegenen Ortschaft zur Verfügung gestanden hat. Jetzt nehmen die Ärzte und das Pflegepersonal alle Stellplätze in Anspruch. Ich öffne das Vorhängeschloß und löse den Riegel, lasse die Glühbirne an der

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