Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
Vom Netzwerk:
Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs vor die Tore der Stadt traten, um sich die Erste Schlacht am Bull Run anzusehen, freuen sie sich schon auf das Erlebnis. Bereits der Anblick ist ein erhebendes Gefühl für die Fans: die uniformähnlichen Trikots und Wappen, die Ausrüstung, die Siegerpokale und die Banner der Vereine, womöglich die tanzenden, halb nackten Mädchen mit dem so passenden Namen Cheerleader. Einige der Fans tragen seltsame Kostüme und Schminke zu Ehren ihrer Mannschaft. Nach einem Sieg richten sie Triumphfeiern aus. Viele, besonders die jungen Leute im Alter von Kriegern und Maiden, werfen alle Scheu ab und geben sich ganz dem Geist der Schlacht und dem anschließenden Freudentaumel hin. Als an einem Abend im Juni 1984 in der US-Basketball-Liga die Boston Celtics gegen die Los Angeles Lakers antraten, war die Mannschaft in Ekstase, und ihr Mantra hieß «Celts Supreme!». Der Sozialpsychologe Roger Brown, der die Auswirkungen des Spiels beobachtete, erklärte: «Nicht nur die Spieler fühlten sich erhaben, sondern all ihre Fans. In der Nordkurve herrschte Ekstase. Die Fans strömten aus dem Stadion und den umliegenden Bars, sie führten gleichsam schwebend Breakdance-Einlagen vor, Kippe im Mundwinkel, Arme hochgereckt und laut kreischend. Die Kühlerhaube eines Autos wurde platt getrampelt, weil ungefähr dreißig Menschen sich jubelnd darauf drängten, und der Fahrer – selbst auch ein Fan – lächelte glücklich. Eine improvisierte Autoparade kroch hupend durch die Straßen. Auf mich wirkte es nicht so, als freuten sich diese Fans einfach nur mit ihrer Mannschaft oder fühlten mit den Spielern. Sie waren selbst auf Wolke sieben. An diesem Abend war das Selbstwertgefühl jedes einzelnen Fans erhaben; eine soziale Identität hatte vielen persönlichen Identitäten unglaublich gut getan.»
    Und Brown ergänzt noch einen wichtigen Punkt: «Die Identifizierung mit einer Sportmannschaft hat etwas von der Willkür lediglich kognitiv existierender sogenannter minimaler Gruppen. Um ein Fan der Celtics zu sein, muss man nicht in Boston geboren sein, muss nicht einmal dort wohnen, und dasselbe gilt für die Mannschaftsmitglieder. Als Individuen oder unter dem Kommando anderer Gruppenmitgliedschaften könnten sowohl Fans als auch Mannschaftsmitglieder einander sehr feindlich gesinnt sein. Solange aber die Zugehörigkeit zu den Celtics vorherrschte, ritten alle auf derselben Welle.»[ 22 ]
    Jahrelange Versuche in der Sozialpsychologie haben gezeigt, wie schnell und entschieden sich Menschen in Gruppen aufteilen und dann zugunsten der einen Gruppe, der sie angehören, diskriminieren. Selbst wenn die Versuchsgruppen willkürlich eingeteilt und dann so gekennzeichnet wurden, dass die Mitglieder einander identifizieren konnten, und selbst wenn die vorgegebenen Interaktionen trivial waren, kam es bald zu Bevorzugungen der Eigengruppe. Ob Gruppen um Pfennigbeträge spielten oder sich als die identifizierten, denen ein abstrakter Maler besser gefiel als ein anderer, immer ordneten die Probanden die fremde Gruppe der eigenen Gruppe unter. Sie befanden ihre «Gegner» als weniger liebenswert, weniger fair, weniger vertrauenerweckend, weniger kompetent. Zu den Bevorzugungen kam es sogar dann, wenn die Probanden wussten, dass die Zuteilung zur eigenen und zur fremden Gruppe willkürlich war. In einer solchen Versuchsreihe sollten die Teilnehmer Geldbeträge unter anonym bleibenden Mitgliedern der beiden Gruppen aufteilen, und es zeigte sich dieselbe Bevorzugung. Selbst wenn keine weiteren Anreize bestehen und kein Kontakt vorausgeht, erzeugt die Zuweisung zu einer Gruppe starke Bevorzugung,
    In ihrer Durchsetzungskraft und Einheitlichkeit trägt die Neigung, Gruppen zu bilden und Mitglieder der eigenen Gruppe zu bevorzugen, alle Kennzeichen eines Instinkts.[ 23 ] Es ließe sich argumentieren, dass die Bevorzugung der eigenen Gruppe bedingt wird durch frühes Training darauf, sich Familienmitgliedern anzuschließen und mit Nachbarskindern zu spielen. Doch selbst wenn solche Erfahrungen eine Rolle spielen, wäre dies ein Beispiel dafür, was in der Psychologie als «Bereitschaft zum Lernen» bezeichnet wird, also die angeborene Neigung, etwas schnell und entschieden zu erlernen. Beinhaltet die Neigung zur Bevorzugung der eigenen Gruppe alle diese Kriterien, so wird sie wahrscheinlich vererbt. In diesem Fall kann man begründet davon ausgehen, dass sie über die Evolution durch natürliche Selektion herausgebildet

Weitere Kostenlose Bücher