Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Pflanzenprodukte. Vor etwa 30.000 Jahren hatte der Homo sapiens den Neandertaler vollständig ersetzt.[ 45 ] Außerdem verdrängte der Homo sapiens noch eine weitere Art, die mit dem Neandertaler verwandt war, den kürzlich entdeckten «Denisova-Menschen» aus dem südlichen Sibirien; Knochenfunde wurden in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge gemacht.[ 46 ]
Die übrigen Wege der wachsenden menschlichen Populationen führten, soweit sich das an den fossilen und genetischen Befunden ablesen lässt, vor 60.000 Jahren nach Asien und am Indischen Ozean entlang. Die Kolonisten drangen auf den indischen Subkontinent, dann auf die malaiische Halbinsel vor, setzten irgendwie über die Meerengen auf die Andamanen über, wo es noch heute alte Populationen von Ureinwohnern gibt. Offenbar schafften sie es nicht auf die nahe liegenden Nikobaren – der genetische Befund bei deren heutigen Einwohnern lässt eher einen späteren asiatischen Ursprung von vor etwa 15.000 Jahren vermuten. Die frühesten menschlichen Spuren in Indonesien stammen aus den Niah-Höhlen auf Borneo und sind 45.000 Jahre alt. In Australien wurden die ältesten Spuren am Lake Mungo ausgegraben; sie wurden auf 46.000 Jahre datiert. Neuguinea wurde wahrscheinlich schon etwas früher besiedelt. Bedeutende Veränderungen in der australischen Fauna, die wahrscheinlich auf Jagd und den Einsatz gezielter Buschbrände zum Zweck der Wildhatz zurückzuführen sind, belegen, dass die Einwanderung nach Australien mindestens 50.000 Jahre zurückliegt. Die Ureinwohner von Neuguinea und Australien sind damit wirklich Aborigines – also direkte Abkommen der ersten modernen Menschen, die in das Land gelangten, das sie noch heute bewohnen.[ 47 ]
Die Frage, wann genau der anatomisch moderne Homo sapiens in der Neuen Welt eintraf, was sich auf die ursprüngliche Fauna und Flora katastrophal auswirkte, hat die Anthropologen über Jahre hinweg beschäftigt. Wie eine Fotografie in einem sehr langsamen Entwicklungsbad scheint das Bild nun endlich sichtbar zu werden. Genetische und archäologische Studien in Sibirien sowie Nord- und Südamerika ergeben, dass vor höchstens 30.000 Jahren, womöglich aber erst vor 22.000 Jahren eine einzige sibirische Population die Beringbrücke erreichte. In dieser Zeit hatten die Kontinentalgletscher den Meeren so viel Wasser entzogen, dass die Beringbrücke trockenlag; dieselben Gletscher versperrten gleichzeitig den Zugang zum heutigen Alaska. Vor etwa 16.500 Jahren machte der Rückzug der Gletscher den Weg nach Süden frei, und es kam zur massiven Einwanderung über Alaska. Archäologische Funde in Nord- und Südamerika belegen, dass vor 15.000 Jahren die Besiedelung beider amerikanischen Kontinente voll im Gang war. Wahrscheinlich verbreiteten sich die ersten Populationen entlang der erst neuerdings eisfreien Pazifikküste auf Land; während des noch nicht abgeschlossenen Rückzugs der Gletscher lag es frei, ist heute aber überwiegend überflutet.
9.1 Die ersten Kolonisten auf einem neuen Kontinent. Früh in der Geschichte der modernen Menschheit (Homo sapiens) fingen die Stämme an, Begräbnisriten auszuführen, die als Vorläufer oder Begleiterscheinungen primitiver religiöser Glaubensformen gelten können. Diese Rekonstruktion zeigt ein Begräbnis früher australischer Aborigines in Mungo (Südostaustralien) vor mindestens 40.000 Jahren. Der Leichnam wird mit rotem Ockerstaub bestreut.
Vor etwa 3000 Jahren begannen die Vorfahren der polynesischen Völker die pazifischen Inselgruppen zu kolonisieren. Angefangen mit Tonga, drangen sie mit großen, für lange Fahrten gebauten Kanus schrittweise weiter ostwärts und erreichten um 1200 v. Chr. die Randgebiete Polynesiens, also ein Dreieck aus Hawaii, der Osterinsel und Neuseeland. Mit dieser Leistung der Polynesien-Fahrer war die menschliche Eroberung der Erde abgeschlossen.[ 48 ]
10.
DIE KREATIVE EXPLOSION
Seit ihr Gehirn sie dazu befähigte, waren Populationen des Homo sapiens vom afrikanischen Kontinent ausgewandert und hatten sich in einer nie abebbenden Welle über viele Generationen hinweg überall in der Alten Welt ausgebreitet. Zunächst fast unmerklich, dann aber zunehmend schneller schufen sie immer komplexere Formen der Kultur. Dann kam, in geologischen Begriffen ganz plötzlich, der größte aller Fortschritte: An vielen Orten gleichzeitig erfanden die Jäger und Sammler der aufkommenden Jungsteinzeit die Landwirtschaft und bildeten Dörfer, führten gleichzeitig
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