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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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folgendermaßen darstellen. Es scheint mir sinnvoll, dafür zunächst eine Analogie aus der Biogeografie und der Ökologie heranzuziehen. Kulturelle Innovationen lassen sich vergleichen mit Arten von Organismen, die zunehmen, wenn mehr und mehr Arten ein Ökosystem kolonisieren, etwa einen neu entstandenen Teich, ein Gebüsch oder eine kleine Insel. In einem Verband von Menschen gibt es eine Fluktuation von Kulturmerkmalen, so wie es eine Fluktuation von Arten gibt, die ein Ökosystem besiedeln. Einige kulturelle Innovationen blieben in den afrikanischen Verbänden nach ihrer Ausbreitung erhalten. Andere, das zeigt der archäologische Nachweis von Körperschmuck und Speerspitzen, gingen wieder verloren, wurden aber in der Regel später wieder eingeführt, entweder durch erneute Erfindung oder aber durch Kontakt mit anderen Verbänden. Zunächst waren die menschlichen Verbände auf dem afrikanischen Kontinent klein und voneinander isoliert. Ihre Anzahl und ihre Durchschnittsgröße nahmen je nach Klima und zur Verfügung stehendem Lebensraum zu und ab. Als die Umweltbedingungen vor und während der Auswanderung aus Afrika günstiger wurden, stiegen die Zahl der Verbände und ihre Populationsgrößen an. Folglich stieg gleichzeitig auch ihre Innovationsrate an.
    In dieser kritischen Phase der menschlichen Vorgeschichte 60.000 bis 50.000 Jahre vor heute wurde das Wachstum der Kulturen eigenkatalytisch. Wie ich bereits dargestellt habe, verlief dieses Wachstum zunächst langsam, dann schneller, immer schneller und immer noch schneller, so wie bei der chemischen und biologischen Eigenkatalyse. Das liegt daran, dass das Aufkommen irgendeiner Innovation das Aufkommen bestimmter anderer Innovationen möglich machte, und wenn sie sich als nützlich erwiesen, verbreiteten sie sich daraufhin mit größerer Wahrscheinlichkeit. Verbände und Zusammenschlüsse von Verbänden mit einer besseren Kombination kultureller Innovationen wurden produktiver und waren für Wettbewerb und Krieg immer besser gerüstet. Ihre Rivalen taten es ihnen entweder gleich oder wurden verdrängt, ihre Territorien annektiert. Damit wurde die Gruppenselektion zum Antrieb für die Evolution der Kultur.

    10.1 Die Zentren der acht bekannten voneinander unabhängigen Ursprungsorte des Ackerbaus einschließlich Tierhaltung mit ungefährer Datierung.
    Ganz zu Beginn, von der späten Altsteinzeit und über die Mittelsteinzeit, kam die kulturelle Evolution der Menschheit sehr langsam voran. Zu Beginn der Jungsteinzeit vor 10.000 Jahren, also mit der Erfindung der Landwirtschaft, der Entstehung von Siedlungen und zunehmenden Nahrungsvorräten, beschleunigte sich die kulturelle Evolution erheblich. Als sich dann durch Handel und durch Krieg die Expansion verstärkte, kamen kulturelle Innovationen nicht nur schneller auf, sondern sie breiteten sich auch viel schneller aus. Zu Innovationseinbußen kam es weiterhin, doch in Anbetracht der schieren Menge von Menschen und Stämmen, die sie vorantrieben, waren einige davon originell und machtvoll genug, dass ihr Einfluss übermächtig wurde. So revolutionäre Fortschritte wie die Schrift, die astronomische Navigation und Feuerwaffen waren anfangs selten, unvollkommen und labil. Manche verschwanden wieder, um später wieder aufzutauchen. Wie die Funken eines Feuers trug jeder von ihnen das Potenzial, Feuer zu legen und sich auszubreiten.
    Archäologen haben einige der mentalen Schlüsselkonzepte beschrieben, die im Zeitraum 10.000 bis 7000 Jahre vor heute aufkamen und sich verbreiteten:[ 56 ]
    – Die Steinbearbeitung wurde vollständig beherrscht, die Werkzeugherstellung hatte sich vom einfachen Abschlagen verfügbarer Steine wie in der Mittelsteinzeit zu einer sehr viel ausgefeilteren Prozedur entwickelt. Äxte und Beile aus der Jungsteinzeit wurden in mehreren Arbeitsschritten hergestellt. Jedes Blatt wurde zunächst von einem Rohstück feinkörnigen Gesteins abgetrennt. Dann wurde es genauer herausgeformt, indem nach und nach kleinere Abschläge herausgetrennt wurden. Schließlich wurden raue Stellen auf der Oberfläche genau abgemeißelt oder abgeschliffen. Das Endprodukt war eine Klinge mit glatter Oberfläche und scharfen Kanten, die je nach Verwendungszweck flach oder stärker gewölbt war.
    – Neusteinzeitliche Werkzeugmacher erfanden das Konzept der Hohlstruktur mit Innen- und Außenfläche. Dementsprechend schufen sie auch Gefäße in nützlichen Formen aus Holz, Leder, Stein oder Ton.
    – Die Werkzeugmacher

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