Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
sich ihnen immer neue Nischen eröffneten. Gegen Ende des Mesozoikums vor 65 Millionen Jahren existierten die meisten der zwei Dutzend heute lebenden taxonomischen Unterfamilien der Ameisen.
13.1 Im Reptilienzeitalter in der Kreide fielen Aufstieg und Diversifizierung der heute noch vorhandenen Ameisen zusammen mit der Dominanz von Blütenpflanzen (Angiospermae) über die globale Flora.
Doch selbst bei dieser bereits großen Vielfalt erreichte die wachsende Ameisenfauna nicht sofort die heutige zahlen mäßige Dominanz in Organismen und Kolonien. Die ältesten Fossile, die den Entomologen aus Bernstein- und Steineinschlüssen bekannt sind, sind im Vergleich zu anderen Insekten nur mäßig häufig. Wohl gegen Ende des Mesozoikums («Reptilienzeitalter») und mit Sicherheit nicht später als in den ersten 15 Millionen Jahren des darauffolgenden Känozoikums («Säugetierzeitalter») machten die Ameisen zwei weitere evolutionäre Fortschritte, die ihre heutige weltweite Dominanz mit begründen.
Die erste Innovation betraf die kuriose Partnerschaft, die viele Vertreter dieser Art mit Insekten eingingen, die sich von Pflanzensäften ernähren. Blatt-, Schild- und Schmierläuse und andere Arten von Gleichflüglern (Homoptera) stechen mit ihren schnabelartigen Mundwerkzeugen in die Pflanze und saugen Saft und andere Flüssigkeiten heraus. Jedes einzelne Tier muss große Mengen dieser Substanzen aufnehmen, um genug Nährstoffe für Wachstum und Reproduktion zu erhalten. Eine Nebenwirkung ihrer Ernährungsmethode ist, dass sie einen hohen Durchlauf von Exkrementen und überschüssiger Flüssigkeit haben. Die Tröpfchen werden so ausgeschwitzt oder verspritzt, dass sie auf den Boden oder die umliegende Vegetation fallen, damit das klebrige Material sich nicht rund um die Insekten anhäuft. Dieser «Honigtau» ist für die meisten Ameisenarten das reinste Manna. Und für viele Ameisen eine erstrangige Nahrungsquelle.
13.2 Ein kritischer Schritt beim Aufstieg der Ameisen zur Dominanz sind ihre Partnerschaften mit saftsaugenden Insekten; im Tausch gegen die nahrhaften flüssigen Exkremente schützen sie sie vor Räubern und Parasiten. Die Zeichnung zeigt die europäische Waldameise Formica polyctena und ihren symbiotischen Partner, die Blattlaus Lachnus roboris .
Das Aufkommen der Ameisen verschaffte beiden Partnern einen gleichberechtigten Vorteil, und die Symbiose dauert bis heute an. Wenn Blattläuse und andere Saftsauger die Pflanzenepidermis durchstechen, sind sie regelrecht an ihrer Nahrung verankert. Ihre weichen Körper bilden mundgerechte Bissen für eine Menge Räuber und Parasiten, die durch das Laub schwärmen. Wespen, Käfer, Florfliegen, Fliegen, Spinnen und andere können die gesamte Population auf einer Pflanze im Handumdrehen vernichten. Die Saftsauger brauchen beständigen Schutz, und ein Bündnis mit den kothungrigen Ameisen ist ein hervorragender Garant dafür. Viele Ameisenarten behandeln jede dauerhafte reichhaltige Futterquelle als Teil ihres Territoriums, selbst wenn sie weit von ihrem Nest entfernt liegt. Von den Saftsaugerherden, die sie als ihr Eigentum beanspruchen, halten sie jeden Fressfeind fern.
In den Millionen Jahren ihrer Evolution gingen Ameisen sogar noch weiter: Sie machten kooperative Blattläuse und andere Saftsauger zu regelrechten Melkkühen. Genauso treffend könnte man übrigens auch sagen, die Saftsauger machten die Ameisen zu regelrechten Milchbauern. Die symbiotischen Saftsauger spritzen ihre Exkremente nun nicht mehr von der Pflanze, auf der sie sitzen, herunter, sondern halten sie zurück, bis eine Ameise kommt und sie leicht mit ihren Antennen berührt, woraufhin der Saftsauger einen großzügigen Tropfen ausscheidet und der Ameise zum Trinken entbietet. Im Laufe der Evolution profitierten beide Symbiosepartner. Andere kamen weniger gut weg. Die Pflanzen verloren einen Gutteil ihres «Pflanzenbluts», und die Fressfeinde der Saftsauger gingen oft hungrig nach Hause. Alle aber überlebten; wir haben hier ein Beispiel für einen natürlichen ökologischen Gleichgewichts zustand.
Bei einer Wanderung durch einen Regenwald auf Neuguinea stieß ich eines Tages auf einen Schwarm riesiger Schildläuse, die sich vom Gestrüpp im Unterholz ernährten. Ihre Körper unter den harten Chitinhüllen, die wirkten wie Schildkrötenpanzer, waren beinahe zehn Millimeter lang. Sie waren begleitet von Ameisen, die durch die Herde wimmelten und tröpfchenweise Honigtau sammelten. Mir kam in
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