Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
geologischen Begriffen) schnell aus und füllten die Lebensräume auf der Erde wieder auf. Ihre Arten vermehrten sich und radiierten zu vielen neuen Lebensweisen. Innerhalb von ein paar Millionen Jahren hatte die Evolution der Überlebenden einen Großteil der ausgestorbenen Vielfalt durch ein Spektrum neuer Arten ersetzt, und die Insektenwelt pulsierte wieder. Doch weitere 50 Millionen Jahre lang, also fast die gesamte Trias über, die die große evolutionäre Radiation der Dinosaurier erlebte, gab es immer noch keine eusozialen Insekten, oder zumindest finden wir dafür keinerlei Belege.
Erst in der letzten Phase des Jura, vor etwa 175 Millionen Jahren, tauchen die ersten Termiten auf, zunächst mit schabenartiger Anatomie; etwa 25 Millionen Jahre später folgten die Ameisen. Selbst dann noch und bis heute war und blieb das Aufkommen anderer eusozialer Insekten oder sonstiger eusozialer Tierarten selten. Heute kennen wir etwa 2600 taxonomische Familien von Insekten und anderen Gliederfüßern, etwa die bekannten Taufliegen aus der Familie der Drosophilidae, die Radnetzspinnen aus der Familie der Argiopidae und Krabben aus der Familie der Grapsidae. Nur in 15 der 2600 Familien gibt es bekanntermaßen eusoziale Arten. Sechs davon sind Termiten, die offenbar alle von demselben eusozialen Vorfahren abstammen. Eusozialität entwickelte sich einmal bei Ameisen, dreimal unabhängig voneinander bei Wespen und mindestens viermal – wahrscheinlich noch häufiger, aber das ist schwer zu bestimmen – bei Bienen. Insbesondere unter den heutigen eusozialen Bienen der Familie Halictidae stehen viele Linien kurz vor dem eigentlichen Übergang zur eusozialen Organisation – ihre Kolonien sind klein, sie haben nur schwach differenzierte Königinnen und neigen dazu, in der Evolution zwischen solitären und frühen eusozialen Stadien hin- und herzuspringen. Diese kleinen Bienen, bei Weitem kleiner als Honigbienen und Hummeln, sitzen im Sommer zuhauf auf Astern und anderen Blumen. Sie sind auffällig bunt: manche metallisch blau oder grün, andere schwarz-weiß gestreift.[ 2 ]
Ein einziger Fall von Eusozialität ist bei Ambrosiakäfern, andere sind bei Blattläusen und Blasenfüßen (Thripsen) bekannt.[ 3 ] Erstaunlicherweise entstand eusoziales Verhalten dreimal bei Knallkrebsen der Gattung Synalpheus aus der Familie der Alphaeidae, die ihre Nester in Schwämmen bauen. Solche seltenen oder relativ instabilen Abstammungslinien könnten in fossilem Zustand leicht übersehen worden sein. Auch das mehrfache Auftreten von Eusozialität bei den Synalpheus -Krebsen wurde erst kürzlich entdeckt.[ 4 ] Eine entsprechende Warnung sprach Geerat J. Vermeij nach einer Analyse von 23 angeblich einmaligen Innovationen in meist nichtsozialen Aspekten des Lebens aus.[ 5 ] Selbst unter Anerkennung dieser Ungewissheit ist es aber doch unwahrscheinlich, dass viele fortgeschrittene, weit verbreitete eusoziale Insekten mit ihren unterschiedlichen Kasten von Arbeiterinnen gänzlich unbemerkt geblieben sind.
Noch seltener als bei Wirbellosen blieb die Eusozialität bei Wirbeltieren. Zweimal entstand sie bei den unterirdisch lebenden Nacktmullen in Afrika. Einmal ergab sie sich in der Abstammungslinie, die zum modernen Menschen führte, und das im Vergleich zu den Wirbellosen erst sehr spät – nämlich vor nur drei Millionen Jahren. Nahe heran kommen Vogelarten mit «Helfern am Nest», bei denen die Jungen eine Zeitlang bei den Eltern verbleiben, dann aber entweder das Nest erben oder fortgehen und ihr eigenes bauen.[ 6 ] Nahe an die Eusozialität kommen auch die Afrikanischen Wildhunde, bei denen ein Alpha-Weibchen zur Brutaufzucht im Bau bleibt, während das Rudel auf die Jagd geht.
In den letzten 250 Millionen Jahren gab es jede Menge Gelegenheiten, bei denen ein derart bedeutsames Ereignis wie die Eusozialität bei großen Tieren hätte auftreten können. Im Mesozoikum erreichten viele Abstammungslinien der Dinosaurier zumindest einige der erforderlichen Vorbedingungen: menschengroße, schnell bewegliche Fleischfresser, die in Gruppen jagten, mit zweifüßiger Gangart und freien Händen. Keine von ihnen schaffte den letzten Schritt zu wenigstens primitiver Eusozialität. In den nächsten 60 Millionen Jahren, also beinahe das gesamte Känozoikum über, bot sich dieselbe Gelegenheit den sich ausbreitenden Arten großer Säugetiere. Und nicht nur das: Zudem war die durchschnittliche Lebensdauer einer Säugetierart und ihrer Tochterarten nur
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