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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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primitiv eusozialen Halictidae-Biene Lasioglossum duplex , die ein Nest in den Boden gegraben hat (aus Sakagami und Hayashida).
(C) Adulte Pilzkäfer der Gattung Pselaphacus führen ihre Larven zu Pilzfutter (aus Costa); diese Ebene der Brutpflege ist bei Insekten und anderen Gliederfüßern weit verbreitet, hat aber nach heutigem Wissen nie zur Eusozialität geführt. Diese drei Beispiele illustrieren den Grundsatz, dass die Entstehung der Eusozialität durch die Präadaption eines selbst geschaffenen, bewachten Nestplatzes bedingt ist.
    Die Masse biologischen Wissens, die viele solcher wahren Naturwissenschaftler in ihren Feld- und Laborstudien anhäuften, machte es möglich, ein klares Bild davon zu entwickeln, wie und warum Eusozialität, das fortgeschrittenste Stadium des Sozialverhaltens, aufkam. Nötig waren dafür zwei aufeinanderfolgende Schritte.[ 8 ] Erstens zeigt sich, dass bei allen Tierarten, die Eusozialität erreicht haben – wirklich ausnahmslos bei allen –, die altruistische Kooperation ein dauerhaftes, verteidigungswürdiges Nest vor Feinden schützt, also vor Räubern, Parasiten oder Konkurrenten. Erst wenn dieser Schritt getan ist, ist die Bühne frei für die Ausbildung der Eusozialität, bei der die Gruppenmitglieder mehr als einer Generation angehören und die Arbeit so untereinander aufteilen, dass wenigstens ein Teil ihrer persönlichen Interessen denen der Gruppe geopfert wird. Um diesen Prozess konkret sichtbar zu machen, stellen wir uns eine solitäre Wespe vor, die ein Nest baut und darin ihre Jungen aufzieht. Diese Stufe erreichen Vögel und Krokodile. Im Lebenszyklus der gewöhnlichen Wespenart verlassen die Jungen, wenn sie ausgewachsen sind, das Nest und zerstreuen sich, um selbst Jungen aufzuziehen und Nester zu bauen – so wie es auch Vögel und Krokodile tun. Bleiben zumindest einige Mitglieder der Folgegeneration am Nest, statt sich zu zerstreuen, so steht die daraus resultierende Gruppe an der Schwelle zur Eusozialität. Diese Grenze wird dann auch leicht überschritten – danach allerdings keineswegs leicht beibehalten. Bienen zumindest einiger solitärer Arten (sowie in Gesellschaft lebende Bienen, die einen gemeinsamen Bau bewohnen, aber private Zellen bauen) lassen sich in das primitiv eusoziale Stadium versetzen, indem man einfach zwei Bienen gemeinsam auf einem engen Raum platziert, der nur Platz für ein Nest oder eine private Zelle bietet. Das Paar entwickelt dann automatisch eine Hackordnung, wie sie in natürlichen Populationen primitiv eusozialer Bienen zu beobachten ist. Das dominante Weibchen, die «Königin», bleibt im Nest, reproduziert sich und bewacht das Nest, während das untergeordnete Weibchen, die «Arbeiterin», auf Futtersuche geht.[ 9 ]
    In der Natur kann dieselbe Anordnung genetisch programmiert sein, so dass das Mutterinsekt im Kreis ihrer Nachkommen lebt, die im Nest verbleiben; damit wird die Mutter Königin, und die Nachkommen werden Arbeiterinnen. Die einzige genetische Veränderung, die für diese letzte Stufe nötig ist, besteht im Erwerb eines Allels – einer neuen Form eines einzelnen Gens –, welches das Programm für das Ausschwärmen im Gehirn abschaltet und somit verhindert, dass die Mutter und ihre Nachkommen sich verstreuen, um neue Nester zu bauen.
    Sobald eine derart geschlossene Gruppe existiert, beginnt die natürliche Selektion auf Gruppenebene anzusetzen. Dabei geht es darum, ob ein Individuum in einer reproduktionsfähigen Gruppe besser oder schlechter davonkommt als ein ansonsten identisches solitäres Individuum in derselben Umwelt. Bestimmend für dieses Ergebnis sind die emergenten Merkmale, die auf dem Zusammenspiel der Gruppenmitglieder beruhen. Diese Merkmale sind unter anderem die Kooperation bei der Erweiterung, Verteidigung und Vergrößerung des Nests, beim Futtererwerb und bei der Brutpflege – anders gesagt, alle Aktivitäten, die ein solitäres Insekt bei der Reproduktion normalerweise selbst bewerkstelligen würde.
    Setzt sich das Allel, das die genannten emergenten Merkmale der Gruppe bewirkt, gegenüber konkurrierenden Allelen durch, die die Zerstreuung der Individuen vom Nest vorgeben, so kann die natürliche Selektion am Rest des Genoms ungehindert komplexere Formen der sozialen Organisation herausformen. In den frühesten Stadien der eusozialen Evolution geht es dabei trotzdem zunächst um die bereits existierende Prädisposition für Dominanz und Arbeitsteilung. Später kann auf Gruppenebene ein immer

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